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Sei schlau, stell dich dumm: Biographie

Sei schlau, stell dich dumm: Biographie

Titel: Sei schlau, stell dich dumm: Biographie
Autoren: Bastei Lübbe
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jähzornig – und meine Mutter hat es immer abbekommen.
    Einmal war ich mit meiner Mama sogar für ein paar Tage im Frauenhaus. Die hatte meinen Bruder und mich gepackt, als es mal wieder ganz schlimm wurde mit meinem Vater, und dann sind wir dahin. Ich kann mich kaum noch erinnern, weil ich ja noch so klein war, aber aus Erzählungen weiß ich, dass wir nach einer knappen Woche zurück sind. Ich glaube, meiner Mutter ist das Geld ausgegangen. Die kümmern sich da zwar um einen, aber über kurz oder lang braucht man eigenes Geld. Das ist bestimmt auch der wahre Grund, weshalb die meisten Frauen wieder zu ihren Männern zurückgehen, obwohl sie die doch gerade verlassen wollten. Das Geld ist schuld!
    Heute habe ich zu meinem Vater überhaupt keinen Kontakt mehr. Und das ist auch gut so. Als kleines Kind habe ich mich sogar mal mit dem Gürtel vom Bademantel ans Bett gefesselt, weil ich nach der Trennung auf gar keinen Fall zu ihm wollte. Aber ich musste trotzdem immer hin, von wegen Besuchsrecht und so. Bock darauf hatte ich nie.
    Auf Nimmerwiedersehen
    Beim letzten Mal, als ich ihn gesehen habe, war ich vierzehn Jahre alt. Und das war alles andere als eine schöne Begegnung. Mit vierzehn ist man ja noch volle Kanne in der Pubertät, hat mit sich, seinem Körper und dem Rest der Welt echt genug Probleme. Das ist so die Zeit, wo du manchmal denkst, du bist ganz unten angekommen und dann kommt jemand vorbei und leiht dir eine Schaufel.
    Genauso habe ich mich damals gefühlt. Mies, frustriert – ein Teenager halt. Und dann steht der Herr Möchtegern-Vater, der sich nie um mich gekümmert hat, zwar nicht mit einer Schaufel, aber mit saudummen Sprüchen vor dir. Das braucht man wirklich wie ein Loch im Kopf.
    Unser Treffen fing schon so richtig doof an. Bevor er mich überhaupt begrüßt hatte, steckte Vater sich den Daumen in den Mund, um mir dann mit mächtig viel Spucke darauf (pfui Deibel), ziemlich grob meinen Kajal-Strich unterm Auge wegzuwischen. Da war ich ja schon komplett bedient. Und wenn man dann denkt, danke, das war’s, dicker kann’s jetzt auch nicht mehr kommen – Irrtum, er setzte gleich noch einen drauf. Er glotzte auf mein T-Shirt und motzte: »Stell deine Brüste nicht so auf!«
    Ich meine, das muss man sich mal vorstellen! Ich fand meinen zarten Sprießbusen, der sich noch nicht endgültig für Form und Größe entschieden hatte, eh nicht so sonderlich toll. Irgendwie erinnerten mich diese Knospen an Granatsplitter. Oder andersrum gesagt, so stellte ich mir in meinem Kindergehirn Granatsplitter vor (ist ja nicht so, als ob ich die schon mal in echt gesehen hätte – war ja weder beim Bund noch im Bombenräumkommando).
    Auf jeden Fall fand ich diese beiden Dinger da auf meiner knochigen Brust alles andere als schön und konnte mir auch nicht vorstellen, dass sie jemals schön werden könnten. Hätte mir jemand damals eine Mini-Granatsplitter-Busen-Amputation angeboten, ich hätte sofort Ja gesagt.
    Ich war also todunglücklich – und dann beschimpft dich der eigene Vater. Na super, stärkt unheimlich das Selbstbewusstsein. Eigentlich wundere ich mich bis heute, dass ich nach dieser Geschichte noch so ein tolles Verhältnis zu meinen beiden Boops habe. Ich habe später ja auch in Form und Größe nachgeholfen. Aus den Splittern sind mittlerweile echte Bomben geworden.
    Aber mit meinem Vater wollte ich seit jener Begegnung vor zehn Jahren auf jeden Fall nichts mehr zu tun haben. Und das habe ich bis heute auch nicht.
    Mama im Puff
    Nachdem sich meine Eltern getrennt hatten, hat sich Mama kräftig für uns Kinder ins Zeug gelegt, um uns durchzubringen. Das imponiert mir bis heute. Sie hat tagsüber geputzt und abends gekellnert. Und zwischendurch ging sie immer wieder in den Puff.
    Das war für mich als Kind nicht so leicht zu verstehen, was die Mama da genau macht. In dem Alter hat man als Kind zwar noch keine richtige Ahnung davon, was da so abläuft, aber irgendwie doch schon ein Gespür, dass die Leute hinter unserem Rücken getuschelt haben (was sie übrigens bis heute tun). Und dass die Huren, Transvestiten und Dominas anders als andere Menschen waren, die ich kannte – das habe ich auch ziemlich schnell gemerkt.
    Meine Mama hat im Puff aber nicht so gearbeitet, wie jetzt alle denken werden – sie hat den Mädels (und den Jungs in den Kleidern) die Nägel gemacht. Da ist sie bis heute ganz groß drin. Ich weiß schon, von wem ich das habe: Die Macke mit den langen Nägeln, dem kompletten
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