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Sehnsuchtsland

Sehnsuchtsland

Titel: Sehnsuchtsland
Autoren: Inga Lindström
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langen, Jahrhunderte dauernden Schlaf, ungestört inmitten der Wildnis des Waldes.
    Magnus setze sich langsam in Bewegung und ging auf das Haus zu. Durch eines der Fenster schaute er ins Innere. Er klopfte an die Eingangstür und versuchte dann, die Klinke herunterzudrücken. Doch er hatte sie kaum berührt, als er eine scharfe Stimme hinter sich hörte.
    »Was machen Sie da?«
    Er fuhr wie ein ertappter Sünder herum und sah sich einer dunkelhaarigen Frau in mittleren Jahren gegenüber. Sie mochte ebenso gut vierzig wie siebzig sein, denn ihr gebräuntes Gesicht war auf zeitlose Art faltenlos glatt und schön. Ihr wahres Alter lag vermutlich irgendwo genau in der Mitte, doch Magnus war nicht gerade ein Experte im Abschätzen solcher Dinge.
    Dann hielt er sich nicht länger mit dieser überflüssigen Frage auf, denn es war nicht zu übersehen, wie zornig sie war.
    »Das ist Privatbesitz!«, fuhr sie ihn an.
    Jetzt erst erkannte Magnus sie. »Frau Frödin«, sagte er überrascht. »Ich habe gar nicht erwartet, Sie hier noch anzutreffen!«
    Als er ihren fragenden Blick bemerkte, beeilte er sich, hinzuzufügen:
    »Ich bin Magnus Jacobsson . Vor vielen Jahren habe ich einmal einen Sommer hier verbracht. Es ist ungefähr dreißig Jahre her. Meine Eltern hatten das obere Stockwerk gemietet, ich konnte von meinem Bett direkt auf den See schauen.« Er hielt inne, und dann hörte er sich selbst zu seinem eigenen Erstaunen voller Nachdruck sagen: »Es war der schönste Sommer meiner Kindheit.«
    Sofort erkannte er, dass es die schlichte Wahrheit war. Nichts war je diesem einen besonderen Sommer auf Marielund gleichgekommen. Nie wieder.
    Elinor Frödins Gesicht verlor den Ausdruck von Aggression. »Vor dreißig Jahren...«, sagte sie leise. »Ja, damals war es noch schön auf Marielund.«
    Doch in der nächsten Sekunde verschloss sich ihr Gesicht wieder. Brüsk wandte sie sich ab, um auf das Pförtnerhäuschen zuzugehen. Sie öffnete die Tür und verschwand im Inneren des kleinen Hauses, ohne sich noch einmal zu Magnus umzudrehen. Magnus nahm es befremdet zur Kenntnis. Was, zum Teufel, war hier passiert? Er hatte Elinor Frödin als etwas stille, aber jederzeit freundliche Person in Erinnerung. Jetzt war sie allem Anschein nach eine verbitterte, völlig zurückgezogen lebende Frau, die niemanden mehr an sich heranließ .
    Abermals ließ er seine Blicke schweifen. Über das von Hecken und Wiesen umgebene Haus, den herrlichen Rosengarten, das sanfte Grün des angrenzenden Waldes, die weiten Grasflächen, die sich hinterm Haus bis zum See erstreckten.
    Magnus streifte durch den Garten und ging hinunter zum Ufer, wo er zu seiner Verblüffung ein Pferd grasen sah. Als er über das Wasser schaute, sah er die Frau. Sie stand auf einem Felsen, der über einer kleinen Insel unweit des Ufers aufragte. Völlig reglos verharrte sie dort, wie eine antike Statue, die vollkommen geformten Gliedmaßen vom Licht der tief stehenden Sonne übergossen.
    Einen Augenblick lang hatte Magnus tatsächlich die absurde Vorstellung, sie sei ein Fabelwesen, eine Wassergöttin, aus den Tiefen des Sees aufgestiegen, um sich den Freuden der Sterblichen hinzugeben.
    Doch dann stellte er fest, dass sie einen ganz profanen blauen Bikini trug. Als Nächstes hob sie in einer grazilen Bewegung beide Arme und verschwand mit einem perfekten Kopfsprung unter der Wasseroberfläche.
    Magnus wartete gebannt, bis sie Sekunden später prustend auftauchte und zum Ufer geschwommen kam, genau in seine Richtung.
    Noch bevor sie aus dem Wasser stieg, merkte sie, dass sie beobachtet wurde. Ihr Gesicht nahm einen Ausdruck von Befangenheit an, während sie durch das Schilf rasch ans Ufer watete.
    » Hej «, sagte sie. Ihre Stimme klang jung und mädchenhaft.
    » Hej «, antwortete er hastig. Seine Blicke folgten ihr, während sie zu der Stelle ging, wo sie ihr Kleid abgelegt hatte. Sie schlüpfte rasch hinein und schaute ihn dabei über die Schulter hinweg an, verunsichert, aber mit leichtem Lächeln.
    Er erwiderte ihren Blick, fast erschrocken von der Faszination, die diese Fremde auf ihn ausübte. Ohne nachzudenken, tat er einen Schritt auf sie zu, dann noch einen und einen weiteren, bis er nur noch ein paar Meter von ihr entfernt war.
    Das nasse Haar kringelte sich um ihr schmales Gesicht und ließ sie jünger wirken, als sie vermutlich war. Magnus schätzte sie auf Mitte bis Ende zwanzig.
    Ihm wurde klar, dass er sich aufdringlich benahm, wenn er sie weiter auf diese
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