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Sehnsuchtsland

Sehnsuchtsland

Titel: Sehnsuchtsland
Autoren: Inga Lindström
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Wohnung!«
    Ingrid setzte zu einer mitfühlenden Bemerkung an, doch Lena hob abwehrend die Hand. »Das ist schon in Ordnung so. Ich kann mir ein anderes Leben überhaupt nicht vorstellen.«
    Ihre Schwester runzelte zweifelnd die Stirn. »Aber richtig glücklich bist du nicht.« Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. Lena erwiderte nichts. Glück — das war etwas, das sie vor langer Zeit für immer verspielt hatte.

    *

    Magnus hielt an jeder Straßenkehre und bei jeder Abzweigung nach Schildern mit bekannten Namen Ausschau. Er wusste, dass es jetzt nicht mehr weit sein konnte.
    Die stundenlange Autofahrt hatte ihn angestrengt, aber je näher sie ihrem Ziel kamen, desto wacher und aufmerksamer schien er zu werden.
    Bei Emma hatte die lange Fahrt den gegenteiligen Effekt. Die Natur hatte nach ein paar hundert Kilometern ihr Recht gefordert — seine Tochter war vor gut einer Stunde eingeschlafen.
    Britta hatte sich nach ihrer Ankunft mit einiger Verzögerung doch noch gemeldet, zwar nur per SMS, aber immerhin. Sie war gut gelandet und voller Zuversicht, was das Vorstellungsgespräch betraf. Magnus gönnte ihr den Erfolg, aber er hatte kein besonders gutes Gefühl bei der ganzen Sache. Im Grunde hatte er schon seit Monaten den Eindruck, dass es zwischen ihnen beiden nicht mehr so richtig klappte, aber es war bisher immer so einfach gewesen, das wegzuschieben. Es war kein Problem, eine in Auflösung begriffene Ehe zu verdrängen, wenn man selbst bis über die Ohren in Arbeit steckte.
    Wegen Emma hatte er hin und wieder ein schlechtes Gewissen. Wenn schon Britta so wenig Zeit für die Familie hatte, so hätte wenigstens er selbst sich mehr engagieren können, statt die Hälfte seiner Abende im Büro zu verbringen.
    Doch Emma war ein völlig problemloses Kind. Sie hatte viele Freundinnen, mit denen sie ihre Freizeit verbrachte. Sie las viel, ging häufig reiten und schwamm leidenschaftlich gern. In der Schule kam sie hervorragend mit. Sie war intelligent, anpassungsfähig und hatte einen für ihr Alter erstaunlich ausgeprägten Sinn für Humor. Vielleicht würde der Umgang mit ihr in ein, zwei Jahren schwieriger werden — in der Pubertät war das Leben mit jungen Mädchen nicht so ganz ohne, wenn man den Leuten glauben konnte, die Kinder in dem Alter hatten — , aber im Augenblick war Emma der reinste Sonnenschein. Magnus liebte sie mit allen Fasern seines Wesens. Er war schlicht nicht in der Lage, sich ein Leben ohne seine Tochter vorzustellen. Schon allein deswegen war es sträflich von ihm, dass er seine Ehe so vernachlässigt hatte.
    Doch dann sagte er sich mit schwachem Trotz, dass zu einer kaputten Beziehung immer zwei Leute gehörten. Wenn Britta und er sich voneinander entfernt hatten, war das ebenso ihre Schuld wie seine.
    Allerdings half ihm das kaum dabei, sich mit der Vorstellung anzufreunden, dass Britta womöglich eines Tages mit Emma nach Göteborg oder sonst wohin verschwinden könnte und er sich in der Rolle des Wochenendvaters versuchen musste. Er weigerte sich ganz einfach, überhaupt nur darüber nachzudenken.
    Emma sah reizend aus im Schlaf. Ihr brünettes Haar hing gelöst um ihr kindlich zartes Gesicht, und ihre Augen bewegten sich unter ihren geschlossenen Lidern unruhig hin und her. Anscheinend hatte sie einen angenehmen Traum, denn plötzlich zuckte ein süßes, unbewusstes Lächeln in ihren Mundwinkeln auf.
    Magnus betrachtete sie aus den Augenwinkeln und hätte dabei um ein Haar die beiden steinernen Wegweiser übersehen. Da war es. Marielund.
    Magnus bog kurz entschlossen ab und folgte der schmalen Straße, eigentlich kaum mehr als ein Weg, auf dem es fast so viele Schlaglöcher gab wie herumliegende Steine. Die Strecke war kaum zu befahren, es sei denn mit einem stabilen Geländewagen.
    Nach einer Weile hielt er an und stieg aus. Das Haus musste ganz in der Nähe sein, wenn er seinen Erinnerungen trauen konnte. Magnus ließ es einfach darauf ankommen. Er holte seine Digitalkamera vom Rücksitz und ging zu Fuß weiter.

    *

    Lena ritt in leichtem Trab durch den Wald. Ihr Haar wippte bei jeder Bewegung auf und ab, und hin und wieder strich sie es ungeduldig aus der Stirn, weil ihr heiß war. Sie trug nur ein leichtes, ärmelloses Sommerkleid und Turnschuhe, doch sie schwitzte von der ungewohnten Anstrengung. Lena überlegte, wann sie das letzte Mal reiten gewesen war. Es war bestimmt zwei Jahre her, wenn nicht länger. In ihrer Anfangszeit in Stockholm war sie einige Male in einem
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