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Sehnsuchtsland

Sehnsuchtsland

Titel: Sehnsuchtsland
Autoren: Inga Lindström
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vorher in einem Reisebüro besorgt hatte.
    »Und ich kann da wirklich reiten?«, vergewisserte sie sich. »Nicht nur in der Halle?«
    Magnus lachte nachsichtig. »Du kannst sogar reiten, wohin du willst. Das hat jedenfalls die Vermieterin gesagt. Sie heißt übrigens Ingrid. Auf dem Gut gibt es zehn Reitpferde, also ist bestimmt auch eins für dich dabei.«
    Emma lehnte sich zufrieden lächelnd in den Beifahrersitz zurück. Seit ihrem achten Lebensjahr war sie eine begeisterte Reiterin, und ihr größter Wunsch war seither ein eigenes Pferd. Bis jetzt war es beim regelmäßigen Reitunterricht geblieben, aber Magnus überlegte bereits seit einiger Zeit, ihr im kommenden Frühjahr zum nächsten Geburtstag doch ein Pferd zu schenken. Mit dreizehn war sie wahrscheinlich alt genug, sich selbstständig darum zu kümmern, ohne dass er oder Britta ständig dabei sein mussten.
    Er seufzte unhörbar, als er an seine Frau dachte. Inzwischen war sie in Göteborg, doch sie hatte sich noch nicht gemeldet. Als sie ihm vor ein paar Wochen eröffnet hatte, dass sie sich auf die Stelle beim Dagbladet beworben hatte, war ihm nicht sofort klar gewesen, was das bedeuten würde. Erst bei ihrem nächsten Satz hatte er begriffen, welche Konsequenzen dieser Stellenwechsel auf ihr gemeinsames Leben haben würde.
    »Schau«, hatte sie gesagt, »auch andere Leute führen eine Wochenendehe und kriegen es hin.« Sie hatte sich auf keine Diskussionen eingelassen, und schließlich hatte er es aufgegeben. Es war eine große Chance für sie, beruflich weiterzukommen, und es war ihr gutes Recht, diese Gelegenheit zu nutzen.
    Emma riss ihn aus seinen Gedanken. »Kommt Mama dann nach?«
    Magnus verspannte sich. »Sie weiß noch nicht, wie lange sie in Göteborg bleiben muss.«
    Etwas in seiner Stimme oder seiner Haltung erregte Emmas Argwohn. »Habt ihr euch wieder gestritten?«
    »Ach was.« Er bemühte sich um einen forschen Ton. »Sie hat in Göteborg zu tun. Und ich eben in Marielund.«
    »Marielund...« Emma sprach es langsam aus, als wolle sie sich den Klang des Wortes auf der Zunge zergehen lassen. »Das hört sich schön an... Ein bisschen wie im Märchen...«
    Magnus schwieg, dann nickte er zögernd. »Ja«, sagte er leise. »Es klingt wirklich so.«

    *

    Als Lena um die letzte Straßenbiegung kam und auf den Hof fuhr, verschlug es ihr den Atem. Erschrocken umklammerte sie das Lenkrad und bremste scharf. Sie hatte nicht erwartet, dass es sie so überwältigen würde. Sie hatte zwar vorher eine gewisse angespannte Erwartung gespürt, das ja. Aber nichts hatte sie darauf vorbereitet, dass es sie bis ins Innere treffen würde, ihr Elternhaus wiederzusehen.
    Zehn Jahre, dachte sie leicht benommen. Es waren fast zehn Jahre, und doch hatte sie in der ganzen Zeit nicht ein einziges Mal daran gedacht, wie es wäre, wieder hier zu sein. Sie hatte Lagerberg verlassen und sich das Herz herausgerissen bei dem Versuch, es zu vergessen. Und jetzt stand sie wieder hier, sah das Haus, die Ställe, die Bäume, und mit einem Mal war es so, als füge sich etwas in ihr zusammen, was die ganze Zeit über kaputt gewesen war.
    Lena stieg aus dem Wagen und blieb wie erschlagen stehen, machtlos gegen ihre Gefühle.
    Hör auf!, befahl sie sich.
    Sie sagte sich, dass es nichts Besonderes sei, nur ein ganz normaler schwedischer Gutshof. Es war recht nett, aber nichts Weltbewegendes. Jahrhundertealte Nadelbäume säumten die Auffahrt, die zum Anwesen führte. Dicht neben dem Hauptgebäude stand eine riesenhafte Eiche, deren ausladende Zweige das große Holzhaus beschatteten. Die üppigen Blumenrabatten vor dem Gebäude setzten farbige Akzente, und die benachbarten Ställe bildeten zusammen mit den eingezäunten Weiden sowie dem kleinen Teich mit seinen schnatternden Gänsen ein einladendes bäuerliches Idyll.
    Es war nur ein Gut auf dem Land mit ein paar Ferienwohnungen als zusätzlicher Einnahmequelle, weiter nichts. Doch je länger Lena hier stand und schaute, umso mehr verstörte es sie.
    Sie holte tief Luft und ging auf das Haus zu.
    »Hallo?«, rief sie zögernd. »Ist jemand da? Ingrid?«
    Sie zuckte zusammen, als sie die Schritte und ihren leise ausgesprochenen Namen hinter sich hörte. Atemlos fuhr sie herum.
    »Papa«, stieß sie hervor.
    Björn war aus dem Stall gekommen und blieb ein paar Meter entfernt von ihr stehen. Sein linker Arm und seine Schulter waren bandagiert.
    Er starrte Lena unverwandt an. In seinem Gesicht arbeitete es.
    »Ingrid sagte, dass du
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