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Sehnsucht nach Owitambe

Sehnsucht nach Owitambe

Titel: Sehnsucht nach Owitambe
Autoren: P Mennen
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überaus nervös. Der Rüssel der Leitkuh schlug ärgerlich in den Sand und wirbelte ihn meterhoch auf. Mit einem Mal lehnte sie sich zurück, dann schnellte sie wie ein Katapultgeschoss nach vorn und stürmte mit weit ausholenden Schritten und aufgestellten Ohren auf ihn zu. Noch bevor der Buschmann sich regen konnte, war sie bei ihm. Der kleine Mann schloss angstvoll die Augen und wartete darauf, überrannt oder in die Luft geschleudert zu werden. Keine zwei Menschenlängen von ihm entfernt blieb die Leitkuh jedoch abrupt stehen, stieß einen ohrenbetäubenden Warnruf aus und drehte dann überraschend ab. Ohne ihm weitere Beachtung zu schenken, setzte sie sich gemächlichen Schrittes an die Spitze der Elefantengruppe und führte sie durch das Dünental fort.
    Das Herz des Mannes raste wie das eines Hasen. Er stieß einen tiefen Seufzer der Dankbarkeit aus. Mochte Kauha verhüten, dass er den großen Tieren noch einmal so nahe kam! Dennoch
musste er ihnen folgen. Sie waren die Rettung, auf die er so lange gewartet hatte. Einige Tage und genauso viele Nächte hatte er nun schon in der Einsamkeit der Namib verbracht, bis er endlich auf die Tiere gestoßen war. Wie oft hatte er an seinem Erfolg gezweifelt. Es war nur eine vage Vermutung gewesen, dass auch den Elefanten am Ende dieser dürftigen Regenzeit das Futter in der Wüste knapp werden würde und dass sie deshalb mit ihren Jungtieren die Namib durchqueren würden, um in fruchtbarere Gebiete zu gelangen. Leider war ihr Revier unendlich groß, und die seltenen Tiere waren nur schwer aufzuspüren.
    Die Buschmänner kannten einige der verborgenen Wasserstellen in dieser augenscheinlich so lebensfeindlichen Wüste, aber die Elefanten kannten sie alle. Die Trockenheit hatte die meisten Quellen versiegen lassen. Die Menschen seiner Gruppe hatten Mühe, genug Wasser zu finden. So war das Leben in den letzten Monden besonders hart und entbehrungsreich gewesen. Es hatte viel zu wenige von den nahrhaften und wasserreichen Tsamma-Melonen gegeben, und die essbaren Gräser, Knollen und Pflanzen waren dürr und wenig nahrhaft geblieben. Einige der Jäger hatten versucht, am großen Wasser Robben zu erlegen, aber sie mussten unverrichteter Dinge wieder umkehren, weil die Robbenkolonie sich einen neuen, unbekannten Platz an der Küste gesucht hatte. Außer ein paar ausgemergelten Küstenwölfen und einem Rudel hungriger Löwen waren sie keinem Tier begegnet. Den Buschmännern blieben die Echsen, Schlangen und kleinen Säugetiere, die nachts aus ihren heißen Sandverstecken krochen. Die Tiere warteten auf die Kühle der Nacht, die mit dem abendlich aufziehenden Küstennebel auch Feuchtigkeit mit sich brachte. Das Wasser, das auf den Wüstenpflanzen kondensierte, genügte ihnen zum Überleben. Für die Buschmänner waren die kleinen Tiere in guten Jahren eine willkommene Zwischenmahlzeit. Doch jetzt musste das wenige
Fleisch als Hauptnahrung reichen. Vergeblich hatten sie nach den großen Oryxantilopen Ausschau gehalten. Die wehrhaften Tiere mit ihren lanzenähnlichen Hörnern waren dieses Jahr überhaupt nur vereinzelt durch ihr Gebiet gezogen. Das war ein schlechtes Zeichen, denn gerade diese Tiere waren auf besondere Weise an das harte Leben in der Wüste angepasst.
    Es war seine Idee gewesen, die Elefanten aufzuspüren. Über kurz oder lang würden die Tiere die Menschen dorthin führen, wo es Wasser gab. Das hatte innerhalb der Gruppe zu großen Diskussionen geführt. Die meisten waren gegen seinen Vorschlag gewesen.
    »Wir haben nicht die Kraft für eine lange Suche«, hatte Kwi, einer der erfahrenen älteren Männer eingewandt.
    »Ich werde dir kein Wasser geben«, bestimmte gar N!ore, der in ihm nur einen Konkurrenten sah. Allein sein Freund Twi hatte ihm nicht abgeraten, sondern ihm stillschweigend etwas von seinem Wasservorrat abgegeben. So war er, allen Warnungen zum Trotz, eines Morgens losgezogen.
    Und jetzt hatten die Elefanten ihn gefunden!
     
    Mit neuer Energie machte er sich an ihre Verfolgung. Den ganzen Tag ließ er sie nicht aus den Augen. Die schwerfälligen Tiere kamen erstaunlich rasch voran. Der Buschmann war ein hervorragender Läufer, doch die Hitze sowie die Anstrengungen und Entbehrungen der letzten Tage forderten ihren Tribut. Er hatte kaum noch Wasser. Nur einmal hielt er kurz inne. Mit großer Bedächtigkeit zog er das Grasbüschel aus der kleinen Öffnung in dem Straußenei, schloss die Augen und trank einen winzigen Schluck. Das musste reichen.
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