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Sehnsucht nach Owitambe

Sehnsucht nach Owitambe

Titel: Sehnsucht nach Owitambe
Autoren: P Mennen
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Befürchtung geäußert, dass wohl einige Gäste die Feier verlassen könnten, bevor überhaupt die Trauung stattgefunden hatte. Doch Imelda wollte davon nichts wissen. Sie war stolz auf ihre Musiker und überzeugt, dass sie ihre Aufgabe meistern würden. Nachdem sich alle versammelt hatten, schärfte sie den Männern noch einmal ausdrücklich ein, erst zu beginnen, wenn der Bräutigam vor dem Pastor stand. Die Musiker sahen einander an und nickten ernst.
    Als Erster kam Traugott Kiesewetter. Der kleine Pastor hatte sich extra für den feierlichen Anlass in sein schwarzes Priestergewand geworfen und die weiße Halskrause angelegt. Mit würdevollem Schritt erklomm er den kleinen Hügel, wandte sich dann den unten sitzenden Gästen zu und faltete die Hände vor seinem Bauch. Schweiß rann über seine Stirn, doch er bewahrte Haltung. Mit aufmunternden Zurufen der verheirateten Männer wurde schließlich der Bräutigam empfangen. Fritz lächelte ihnen zu. Mit sicheren Schritten lief er durch das Spalier der Gäste in Richtung des Pastors. Er trug einen schwarzen Frack, darunter ein gestärktes, weißes Hemd mit Stehkragen und Binder. Seinen Kopf zierte ein glänzender Zylinder. Das dunkle Haar darunter war mit Pomade geglättet. Die jungen Fräulein der Gesellschaft stießen ein kaum zu überhörendes Seufzen aus. Fritz sah wirklich umwerfend aus. Mehr als eine war neidisch auf die gute Partie, die Jella machte. Wer es nicht wusste, konnte kaum erkennen, dass dem Bräutigam die linke Hand fehlte. Geschickt hielt er den Stumpf zwischen den Knöpfen seines Fracks versteckt.
    Jetzt fehlte nur noch die Braut. Viele der Eingeladenen kannten Jella noch nicht. Umso heftiger waren die Spekulationen der Frauen und der jungen Mädchen über ihr Brautkleid. Würde sie es wagen, trotz ihrer Umstände einen Schleier zu tragen?
War es nicht unerhört, dass sie überhaupt kirchlich heirateten? Die Braut sollte außerdem sehr hochgewachsen sein und nicht unbedingt dem deutschen Schönheitsideal entsprechen, tuschelten die einen. Diejenigen, die sie bereits kannten, schilderten sie demgegenüber als charmante, kluge Frau, die immer sagte, was sie dachte. Ihre Spekulationen wurden durch das laute Hupen einer Tuba unvermittelt unterbrochen. Der betreffende Musiker hatte sich mit seinem Einsatz vertan und schaute jetzt erschrocken in die Menge. Imelda, die bereits neben Sarah und dem kleinen Raffael in der ersten Reihe saß, bekam einen hochroten Kopf. Man konnte ihr ansehen, dass sie am liebsten den Schuldigen erwürgt hätte. Sie gestikulierte und gab ihnen zu verstehen, dass sie es noch einmal von Neuem versuchen sollten. Doch der zweite Anlauf ging genauso schief wie der erste, nur dass dieses Mal alles durcheinander erklang. Imelda erhob sich von ihrem Sitz und marschierte unter den amüsierten Blicken der Gäste zu ihren Schutzbefohlenen. Nach einem kurzen, heftigen Wortwechsel hatte sie die Ursache des neuerlichen Scheiterns herausgefunden. Die Musiker kannten ihre Stücke auswendig, da sie keine Noten lesen konnten. Allerdings hatten sie vergessen, mit welchem Lied sie beginnen sollten. Der Tubaspieler und der Trompeter hatten sich kurzerhand für den Einzugsmarsch von Johann Strauß entschieden, der Posaunist und der Schlagzeuger dagegen für den Kaiserwalzer. Der Erfolg war eine entsetzliche Kakophonie gewesen. Imelda warf den Musikern einen mörderischen Blick zu und gab nun selbst den Einsatz. Schuldbewusst konzentrierten sich die vier und begannen zum dritten Mal. Zum Erstaunen der meisten Gäste konnte sich die Musik durchaus hören lassen. Das Orchester spielte zwar nicht unbedingt brillant, aber zumindest sehr eigenwillig und engagiert.
    Inmitten dieses amüsanten Zwischenfalls hatten die Zuschauer nicht mitbekommen, wie Jella am Arm ihres Vaters aus der
Haustür getreten war. Das schlichte, cremefarbene Brautkleid umschmeichelte elegant ihren Körper. Es war ärmellos und eng geschnitten und gab sich nicht ansatzweise die Mühe, die unübersehbare Wölbung ihres Bauches zu kaschieren. Gerade das machte den Reiz des Kleides aus und ließ die Braut noch attraktiver erscheinen. Das lockige, widerspenstige Haar war zu einer kunstvollen Steckfrisur aufgetürmt. Anstatt eines Schleiers oder eines Blumenkranzes trug sie locker verteilt blaue und weiße Blüten in ihrem roten Haar. Lange, goldene Ohrringe hingen bis zu ihren Schultern. Ihre limonengrünen Augen glänzten vor Aufregung, als sie gemeinsam mit ihrem Vater in viel zu
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