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Sehnsucht FC Bayern

Sehnsucht FC Bayern

Titel: Sehnsucht FC Bayern
Autoren: Armin Radtke
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Zufälligkeiten im Umfeld, die einen auf einen bestimmten Verein stoßen lassen. Ja und? Eine bewusst getroffene Entscheidung, der ein Abwägen vorausgeht, gibt es die hier überhaupt? Schon Nick Hornby, der englische Bestseller-Autor, stellte fest: »Einen Verein sucht man sich nicht aus. Er wird einem gegeben.«
    Verwundert es da wirklich noch, dass sich so viele Fans zum FC Bayern bekennen? Auch wenn es beileibe nicht die einzige, wohl aber die augenfälligste Ursache ist: Erfolg macht sexy. Dafür rechtfertigen muss man sich nun wirklich nicht. Manchmal hört man: »Du bist doch nur Bayern-Fan wegen der Erfolge.« Ich frage mich: Warum »nur«? Ich habe zum Glück noch Kontakt zu einigen Freunden von einst. Mehrheitlich sind sie immer noch Gladbach-Fans. Natürlich würden sie weit von sich weisen, so genannte »Erfolgsfans« zu sein, wozu es ja angesichts der wechselvollen Ligazugehörigkeit der letzten Jahre auch wahrlich keinen Grund gibt. Als meine Jugendfreunde jedoch Mitte der siebziger Jahre ihr Herz für die Elf vom Niederrhein entdeckten, waren sie genau das, wie sie Bayern-Fans heute gerne bezeichnen. Aber das hören sie nur sehr ungern.
    Man komme mir nicht mit dem Hinweis auf die ach so gepflegte Leidensfähigkeit, die man als Anhänger diverser Vereine benötige. Dass man diese Fähigkeit beispielsweise als Club-, Alemannia- oder Sechzig-Fan tatsächlich benötigt, will ich nur zu gerne glauben. Aber Leidensfähigkeit als Identitätsfindung? Als sinnstiftende Basis einer Art fußballerischen Liebeserklärung? Das scheint mir fast schon masochistisch. Konsequenterweise müsste dann ja jeder Tabellenplatz in UI-Cup-Nähe Unbehagen auslösen.
    Gerne wird ja gerade von gebeutelten Fans auf ihre Treue zum Verein verwiesen. Trotz aller Misserfolge halte man weiter zu ihm. Richtig, wenn man sonst nichts hat, bleibt oft nur noch das. Unterschwellig gerät man als Bayern-Fan dabei in den Verdacht, den Verein zu wechseln, wenn die Erfolge mal länger ausbleiben oder der Verein gar absteigen sollte. Aber in dieser Situation – mit einem zweistelligen Tabellenplatz – befanden wir uns in über vierzigjähriger Bundesligazugehörigkeit nur dreimal. Der einzige Abstieg liegt 1955 für die meisten von uns ebenso zu lange zurück wie die Jahre 1963 bis 1965 unterhalb der Bundesliga. Pardon, aber Bayern-Fans hatten mehrheitlich schlichtweg bisher gar keine Gelegenheit, ihre Vereinstreue im Abstiegskampf unter Beweis zu stellen. Ich, für meinen Teil, kann auf derartige Bekenntnisse allerdings auch gerne verzichten.
    Darüber hinaus ist das Entdecken und Sich-für-einen-Verein-Entscheiden kein Akt von Hier auf Jetzt. Man wird mit der Zeit vielleicht auch mal wankelmütig und ist keineswegs immer mit gleicher Intensität bei der Sache. Es ist nun mal kein rationales Thema. Mich hatte, fernab vom Tagesgeschehen, insbesondere in der Anfangszeit das etwas Vornehmere bei diesem Verein fasziniert. Das elegante Olympiastadion war dabei der sichtbarste Ausdruck. Hinzu kamen die Bilder von der Säbener Straße, die Europacup-Erfolge der siebziger Jahre oder auch die vielen Nationalspieler. Das Imgage des FCB schien sich aus meiner Wahrnehmung etwas von denen anderer Vereine zu unterscheiden. Das gefiel mir, zumal das offene Bekenntnis zu einem Verein bei Weitem nicht die heutige, gesellschaftliche Akzeptanz hatte. Ich entstamme nun mal keinem Arbeiterhaushalt, wo mir ein durch die Eltern vermitteltes Klassenbewusstsein bei der Entscheidung für einen »Arbeitervein« hätte dienlich sein können.
    Wobei sich geradezu die Frage aufdrängt, inwieweit sich das Image als Arbeiterverein mit siebenstelligen Jahresgehältern für 25-jährige Spieler verträgt. Meiner Meinung nach nämlich gar nicht. Eher im Gegenteil. Ein derartiges Einkommensgefälle zwischen Spieler und Fan produziert eine Distanz, die ich jedenfalls gedanklich nicht ausblenden kann. Ich finde es geradezu grotesk, wenn sich Akademiker oder Besserverdienende auf die proletarischen Wurzeln ihres Vereins berufen. Wenn man nämlich den Gedanken eines angeblichen Arbeitervereins im Profifußball konsequent weiterverfolgt, bleibt das historisch-proletarische Element in der Beziehung zwischen Spieler und Fan bei den heutigen Spielergehältern zwangsläufig beim Fan. Eine Rollenzuweisung, die ich für mich nicht wirklich erstrebenswert finde. Anders gesagt: Die Erkenntnis um die bürgerlich-studentischen Wurzeln des FC Bayern kam mir Jahre später nicht nur recht,
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