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Sehnsucht FC Bayern

Sehnsucht FC Bayern

Titel: Sehnsucht FC Bayern
Autoren: Armin Radtke
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sondern war sogar identitätsstiftend. Eine Identität, die ich andersrum natürlich akzeptiere, wenn sich tatsächlich ein Arbeiter der proletarischen Wurzeln seines Vereins besinnt.
    Was mir zugegebenermaßen anfänglich etwas Kopfzerbrechen bereitete, war der Vereinsname »Bayern«. Den fand ich komisch, obwohl es auch andere Vereine mit regionalen Hinweisen im Namen gab: Westfalia Herne, Preußen Münster, Holstein Kiel … Über die gleiche Bedeutung von Namen wie Alemannia, Teutonia oder Borussia wusste ich noch nichts.
    Ich habe es irgendwann aufgegeben, mich im Hinblick auf den FC Bayern zu rechtfertigen. Auch der Hinweis, in der mit Platz 12 nun wirklich nicht glorreichen Saison 1977/78 Bayern-Fan geworden zu sein, hat mich selten davon befreit, als Erfolgsfan zu gelten. Was für ein scheinbarer Makel! Spaßeshalber bin ich schon seit Längerem dazu übergegangen, mich einfach nach dem Lieblingsverein meines Gegenübers zu erkundigen und zu fragen, wie er dazu kam. Es ist meist äußerst entlarvend. Im Übrigen: Den Makel »Erfolgsfan« abzustreiten, mit Leidensfähigkeit zu kokettieren und dabei gleichzeitig einem Verein der 1. Liga die Daumen zu drücken, empfinde ich im Hinblick auf die Fußballfans unterklassiger Vereine nun wirklich als schizophren. Wenn, dann wäre ich konsequent und belasse es beim Daumendrücken für den Verein meiner Stadt und suche mir nicht einen Club aus, der zu den 18 besten der Republik gehört.
    Einem Aspekt konnte ich mich allerdings nie verschließen: dem Lokalpatriotismus. Einem Verein aus der Heimatstadt die Daumen zu drücken, ist zwar wenig originell, hat – wie bei meinem T-Shirt – etwas von Mainstream, ist aber letztlich nur konsequent. Wenn, wie beispielsweise in Kaiserslautern, die Region, die Stadt, die Farben und der Verein im Einklang stehen, hat das eine Zugkraft, der man sich bei täglicher Medienpräsenz nur schwerlich entziehen kann. Als gebürtiger Kölner leide ich eigentlich bis heute etwas an der geteilten Liebe zwischen Vaterstadt und Lieblingsverein. Eine gewisse innere Zerrissenheit, die ich allerdings seit Mitte der achtziger Jahre – wiederum zufällig bedingt – mit einer mir bis heute völlig irrationalen Liebe zum SC Fortuna Köln zu kompensieren versuche. »Support your local team!« Bis das auch für mich gelten sollte, war es jedoch noch ein langer Weg.
    Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012

1979/80
    D AS ERSTE SPIEL
    Ende September 1979 war es dann so weit: mein erstes Bayern-Spiel! Es kam unverhofft und lag fast vor der Haustüre. In der zweiten Runde des DFB-Pokals wurde ich von meinem Vater darauf aufmerksam gemacht, dass die Bayern in Köln spielen. Genauer gesagt in Köln-Höhenberg, im dortigen Sportpark gegen den SC Viktoria Köln (2. Liga Nord). Wie gesagt, ich musste erst darauf aufmerksam gemacht werden! Kein Vergleich mit späteren Jahren, wo selbst der Auslosungstermin vorab im Kalender vermerkt wurde. Ein Ritual übrigens, dass ich mir bis heute bewahrt habe. Aus Aberglauben notiere ich mir den Auslosungstermin allerdings erst dann, wenn die vorherige Runde im DFB-Pokal oder Europacup erfolgreich absolviert wurde.
    Wie mein Vater an zwei der 9.000 Eintrittskarten kam, weiß ich nicht. All zu groß werden die Anstrengungen bei seinem gebremsten Enthusiasmus und im Vergleich zum heutigen Hype bei ähnlichen Spielen nicht gewesen sein. Das schmälerte natürlich in keiner Weise meine Vorfreude. Meinem Vater blieb, und das rechne ich ihm hoch an, in den Monaten zuvor natürlich nicht verborgen, dass ich mich mehr und mehr für Fußball zu interessieren begann. Dem wohlgemeinten Ratschlag meiner Mutter: »Kind, lies doch mal die Tageszeitung«, kam ich auf diese Weise über den Sportteil nach. Immerhin.
    Um es gleich vorweg zu sagen: Ich wusste nicht, wie mir geschah. 9.000 Menschen auf einen Haufen hatte ich als mittlerweile Elfjähriger noch nie gesehen. Und eigentlich wusste ich vor lauter bis dahin unbekannten Eindrücken gar nicht, wohin ich als Erstes schauen sollte. Für mich war es die völlige Reizüberflutung. Das ging so weit, dass ich entscheidende Spielszenen, die zum Beispiel zu den Toren durch Rummenigge, Hoeneß und Dremmler führten, kaum als solche wahrnahm und mich eigentlich nur jedes Mal über den für mich ohrenbetäubenden Torjubel erschrak.
    Auch meine restlichen Erinnerungen an diesen Nachmittag sind nur noch in Fragmenten vorhanden. Sepp Maier, wegen dem ich ja als
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