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Sehnsucht FC Bayern

Sehnsucht FC Bayern

Titel: Sehnsucht FC Bayern
Autoren: Armin Radtke
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weißes T-Shirt mit dem Borussen-Logo auf der Brust. Ich hatte weder Ahnung von Tabellenständen, der Bedeutung von Ergebnissen, wusste nichts von der Vielzahl unterschiedlicher DFB- oder UEFA-Wettbewerbe – ja ich kannte noch nicht einmal einen Spieler. Kurzum: Ich war neun Jahre alt und völlig ahnungslos. Mönchengladbach war ganz ganz weit weg. Ich brauchte lediglich ein neues T-Shirt, und es sollte nicht zu viel kosten. Also ab mit Muttern ins Billigkaufhaus mit dem für mich auch heute noch fast unaussprechlichen und im Alltagsgebrauch ungeeigneten Namen »Woolworth«. Das unscheinbare T-Shirt hatte die eingangs bereits erwähnten netten Farben und löste unter meinen Freunden so etwas wie Anerkennung aus. Das war wichtig. Hinzu kam ja noch ein nicht ganz unwesentlicher Aspekt: Als Junge wird man allenthalben nach seinem Lieblingsverein gefragt. »Und, für wen bist du?« In solchen Fällen lag man als Ahnungsloser mit »Ich bin für Gladbach« fast immer richtig. Das brauchte nicht langatmig begründet zu werden. Das verstand seinerzeit jeder. Und was die eigene Unversehrtheit anbelangt: Das akzeptierte auch jeder. Jedenfalls fast jeder. Grün-Weiß-Schwarz zu Beginn? Später habe ich mich damit getröstet, dass die Vereinsfarben des FC Bayern anfangs auch mal Blau-Weiß waren.
    Ich wohnte in Leverkusen, genauer gesagt am äußersten Stadtrand, fast schon im Bergischen Land. Borussia Mönchengladbach war im Europacup seit Jahren gut unterwegs, für damalige Verhältnisse daher relativ oft im Fernsehen und bot dementsprechend Gesprächsstoff auf altersbedingtem Niveau. Es mag jetzt komisch klingen, aber auf andere Vereine hat man mich damals nicht aufmerksam gemacht. Köln, mit dem amtierenden Deutschen Meister 1978, lag eine gefühlte Tagesreise weit weg. Um mich herum drückte man Borussia die Daumen. Und Bayer Leverkusen? Die hielten sich – für mich unentdeckt – gut in der 2. Bundesliga-Nord und stiegen erst ein Jahr später auf.
    Wenn ich so darüber nachdenke, dann waren es eigentlich Zufälle, die mich sowohl zum Fußball und mit einiger Verzögerung zum FC Bayern geführt haben und mein Leben ungeahnt nachhaltig veränderten. Aber ist das nicht, wenn wir ehrlich sind, meist so im Leben? All die langfristigen Lebensplanungen und die Absolutheit von selbstbestimmten, bewusst getroffenen Entscheidungen hängen letztlich von einer nicht fassbaren Anzahl augenblicklicher Zufälligkeiten ab. Hätte ich den naiv-schwärmerischen Erzählungen meines besten Freundes tatsächlich widerstehen können, wenn er mich mit Hymnen auf den HSV traktiert hätte? Oder wäre ich nicht sogar Fan des VfB Stuttgart geworden, wenn ich im Rahmen eines Verwandtenbesuches mal zu einem Spiel ins Neckarstadion mitgenommen worden wäre? Ich glaube ja. Von meinem Vater hatte ich in dieser Hinsicht jedenfalls nichts zu erwarten. Ihm reichte die flüchtige Ergebnis-Kenntnisnahme seines leisen Favoriten »Preußen Münster« am Montag im Sportteil der Zeitung.
    Und warum dann irgendwann doch Bayern München? Die Antwort ist so schlicht und so logisch, wie sie für einen Neunjährigen nur sein kann: Beim Kick auf nachbarschaftliche Garagentore war ich im Umgang mit den Bällen einfach zu schlecht. Es war auch völlig gleichgültig, welche Beschaffenheit der Boden, welche Größe die Bälle oder die Tore hatten. Technik, Wendigkeit, Schusskraft – ich muss wohl gerade abwesend gewesen sein, als der liebe Gott solche Fähigkeiten verteilte. Bei Furchtlosigkeit bekam ich hingegen offenbar die doppelte Portion. Folgerichtig stand ich ohne Angst vor harten Schüssen meist im Tor. Und wer war damals Nationaltorwart? Sepp Maier! Und in welchem Verein spielte der? Richtig! Da ist er wieder – der Zufall! Das Gladbach-T-Shirt war jedenfalls im Kleiderschrank irgendwann nicht mehr erste Wahl.
    Was will ich damit sagen? All die nachträglichen Rechtfertigungen oder wohlfeil formulierten Gründe, warum man just jenem Verein die Daumen drückt, sind schlichtweg albern. Zumindest dann, wenn die »Wahl« bereits in unschuldigen Kinderjahren getroffen wurde. Und meist sogar dann, wenn man jungfräuliche Fan-Karrieren Erwachsener näher betrachtet. Wer wird denn tatsächlich Fan eines Vereins, weil die Jugendarbeit so toll oder die Vereinsgeschichte so spannend ist? Nein, die Gründe sind profan, ja geradezu banal. Es ist das schöne Trikot, die häufige Fernsehpräsenz, ein spektakulärer Sieg, ein aktuell errungener Titel oder eben
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