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Sehnsucht der Unschuldigen

Sehnsucht der Unschuldigen

Titel: Sehnsucht der Unschuldigen
Autoren: Nora Roberts
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ehe er sie an die Lippen führte. Nach einem langen Schluck fuhr er fort: »So was in der Richtung hab ich dir wohl versprochen, Delia. Wenn es ein bißchen abgekühlt hat, fahre ich los, okay?«
    »Raff dich mal lieber sofort auf. Sonst kriegst du heute abend einen leeren Teller vorgesetzt.«
    »Bei der Hitze kann man sowieso nichts essen«, brummte Tucker, aber Delia hatte ein feines Gehör.
    »Was soll denn das schon wieder?«
    »Ich fahr ja schon.« Anmutig wie ein Ballettänzer glitt er aus der Matte und trank im Gehen sein Bier aus. Als er sie dann von unten angrinste, rutschte der Hut nach hinten, und beim Anblick seiner strahle nden Augen schmolz Delia sofort dahin. Sie mußte sich förmlich zwingen, ihre Lippen weiterhin streng zu schürzen.
    »Auf der Hängematte schlägst du eines Tages noch Wurzeln.
    Man könnte glatt meinen, du wärst schwer krank und könntest nur noch liegen.«
    »Im Liegen kann ein Mann aber auch eine Menge schöne Dinge tun, Delia.«
    Unwillkürlich lachte sie auf. »Aber sieh nur zu, daß dich nicht eine wie diese Schlampe von Sissy angelt und du vor dem Traualtar endest wie mein armer Dwayne.«
    »Aber ich doch nicht!«
    »Und bring unbedingt Toilettenpapier mit.«
    »Okay, aber wirf mir bitte den Geldbeutel und die Autoschlüssel runter.«
    Delias Kopf verschwand für einen kurzen Augenblick. Kurz darauf erschienen ihre roten Haare wieder im Fenster, und sie warf ihm nacheinander das Verlangte zu. Mit zwei geschickten Handbewegungen fing Tucker alles auf. Einmal mehr erkannte Delia, daß der Junge bei weitem nicht so langsam war, wie er immer tat.
    »Zieh dir das Hemd an und steck es ordentlich unter den Gürtel«, befahl sie ihm, als wäre er ein Kind.
    Im Gehen zwängte Tucker sich in sein Hemd. Sein Porsche wartete vor dem Haus, von dessen Veranda zwölf schlanke Säulen emporragten und die mit einem filigranen Schmiedeeisengeländer eingefaßte Loggia im ersten Stock abstützten.
    Noch ehe er in das Gefährt stieg, ein spontaner Kauf von vor einem halben Jahr, klebte ihm das Hemd auf der schweißnassen Haut. Kurz wägte Tucker die Vorteile der Klimaanlage gegen die des Fahrtwinds im Gesicht ab. Er entschied sich dafür, das Dach offen zu lassen.
    Tucker ließ sich gern Zeit. Nur beim Fahren konnte es ihm nie schnell genug gehen. Kieselsteine spritzten davon, und er brauste im ersten Gang die lange, gewundene Auffahrt hinunter.
    Elegant umkurvte er das Beet mit den noch von seiner Mutter gepflanzten Pfingstrosen, Hibiskus und knallroten Geranien.
    Alte Magnolienbäume säumten zu beiden Seiten die Auffahrt.
    Ihr schwerer Geruch stieg ihm angenehm in die Nase. Im nächsten Augenblick schoß er an dem seinem Ururgroßonkel Tyrone gewidmeten Kreuz vorbei. Der war mit sechzehn von einer bösartigen Stute abgeworfen worden und hatte sich das Genick gebrochen. Das Kreuz erinnerte aber auch daran, daß Tuckers Ururgroßvater diese Plantage nie geerbt hätte, wenn nicht sein älterer Bruder seinen Dickschädel unbedingt an dieser Stute hätte durchsetzen wollen. Womöglich hätte Tucker dann in einem Wohnblock in Jackson sein Dasein fristen müssen. So wußte er nie so recht, ob er beim Anblick dieses Kreuzes Trauer oder Dankbarkeit empfinden sollte.
    Dann hatte Tucker das hohe, breite Tor schon hinter sich gelassen. In der Luft hing der Geruch von Teer, der in der Gluthitze weich geworden war, und von brackigem Wasser aus dem Teich hinter dem Wäldchen. Laut Kalender sollte der Sommer ja erst in einer Woche anfangen, aber die Bäume und das Delta wußten es besser.
    Tucker setzte sich die Sonnenbrille auf, griff dann blind in den Stapel Kassetten und schob eine in den Recorder. Weil er die Musik der fünfziger Jahre über alles liebte, besaß er bis auf einige Elvis-Presley-Aufnahmen nichts, was jüngeren Datums als 1962 war. Im nächsten Augenblick dröhnte Jerry Lee Lewis’ mit Whiskey getränkte Stimme aus den Lautsprechern und verhieß, begleitet von rasanten Klavierakkorden, eine heiße Fahrt.
    Als die Nadel um die Achtzig-Meilen-Marke tanzte, stimmte Tucker in den Gesang mit ein. Er verfügte über eine ausgezeichnete Stimme. Dazu trommelten seine Finger den Takt auf dem Lenkrad.
    Hinter der nächsten Anhöhe mußte er weit nach links ausweichen, sonst hätte er einen schnittigen BMW gerammt. Er drückte kurz auf die Hupe, nicht aus Verärgerung, sondern um die Fahrerin zu grüßen, und fuhr ohne vom Gas zu gehen weiter.
    Ein Blick in den Rückspiegel verriet ihm, daß der
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