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Sehnsucht der Unschuldigen

Sehnsucht der Unschuldigen

Titel: Sehnsucht der Unschuldigen
Autoren: Nora Roberts
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an graue Haare wie an die Trennung, wenn sie ›bis daß der Tod uns scheide‹ geschworen hat. Aber im Leben kommt es nun mal anders, als man denkt, wie Josie ihrer Busenfreundin Crystal, der Besitzerin des Schönheitssalons, gerne philosophisch erklärte. Ansonsten ging es in ihren Gesprächen vornehmlich um die Männer zwischen Innocence und Tennessee, die Josie der Reihe nach ausprobierte, um sich für ihre zwei Mesalliancen zu entschädigen.
    Josie wußte, daß genügend schmallippige alte Schachteln hinter vorgehaltener Hand tuschelten, Josie Longstreet sei um keinen Deut besser als unbedingt notwendig. Über solche Behauptungen lächelten andererseits genügend Männer insgeheim, denn sie hatten erlebt, wie gut Josie sein konnte.
    Tucker Longstreet vergnügte sich gern mit Frauen. Zwar nicht in dem Ausmaß wie seine kleine Schwester mit Männern, aber er konnte nicht klagen. Daß er darüber hinaus auch einiges vertrug, war bekannt. Freilich schaute er nie so tief ins Glas wie sein älterer Bruder.
    Für Tucker war das Leben eine breite, bequeme Straße. Er hatte nichts gegen das Laufen, vorausgesetzt, er durfte das Tempo selber bestimmen. Umwege störten ihn nicht, allerdings verlor er das eigentliche Ziel nie aus den Augen. Die Reise zum Traualtar hatte er sich bislang erfolgreich erspart. Die Erfahrungen seiner Geschwister hatten ihre abschreckende Wirkung nicht verfehlt. Viel lieber ging er unbeschwert seiner eigenen Wege.
    Tucker war ein lockerer, allgemein beliebter Bursche, der es trotz seiner Großzügigkeit nicht nötig hatte, mit dem geerbten Reichtum zu protzen. Wer in Schwierigkeiten steckte und Geld brauchte, wandte sich nie vergebens an den guten Tuck. Zudem tat er nicht gnädig herum, sondern verlieh die Dollars ohne großes Aufhebens. Neider gab es natürlich auch in Innocence.
    Mochten sie auch behaupten, wer Geld im Überfluß habe, könne leicht etwas abgeben, so änderte das nichts an der Farbe der Scheine.
    Anders als sein Vater war Tucker nicht auf Wucherzinsen aus und sperrte auch kein Lederbüchlein mit den Namen seiner Schuldner in die Schreibtischschublade. Er verlangte nie mehr als bescheidene zehn Prozent. Und für die Namen und Zahlen genügte sein scharfer, oft unterschätzter Verstand.
    Sein Motiv war niemals Profitdenken, wie er dem Geld zuliebe ohnehin kaum je einen Finger rührte. Kredite bereiteten ihm erstens keine Mühe, und zweitens schlug in seinem trägen Körper ein großzügiges Herz, an dem allerdings hin und wieder sein schlechtes Gewissen nagte. Er hatte im ganzen Leben nichts getan, womit er das immense Vermögen verdient hätte. So war auch nichts leichter, als es mit vollen Händen auszugeben. Daß dem so war, nahm Tucker gähnend als die selbstverständlichste Sache der Welt hin. Gegen seine gelegentlichen Gewissensbisse wußte er im übrigen ein probates Heilmittel. Er legte sich im Schatten der großen Eiche in die Hängematte, zog den Hut übers Gesicht und schlürfte ein kaltes Bier, bis das Unwohlsein sich wieder verzog.
    Und genau das tat er gerade wieder einmal, als Delia Duncan, seit gut dreißig Jahren Haushälterin bei den Longstreets, den Kopf aus dem Fenster steckte und rief: »Tucker Longstreet!«
    Tucker blieb mit geschlossenen Augen liegen und schaukelte friedlich weiter. Auf dem flachen nackten Bauch balancierte er eine Flasche Dixie-Bier. Damit sie nicht kippte, stützte er sie mit der linken Hand.
    »Tucker Longstreet!« Delias gellende Stimme schreckte die Vögel auf dem Baum über ihm auf. Kreischend flatterten sie davon. Eine Schande, dachte Tucker, hatte er doch zu ihrem fröhlichen Gezwitscher zusammen mit dem Brummen der Bienen so herrlich geträumt. »Ich meine dich, Tucker Longstreet!«
    Seufzend schlug Tucker die Augen auf. Zwar war er der Arbeitgeber, aber wenn eine Frau einen schon als Kind gewickelt hatte, war es mit der Autorität nicht weit her.
    Widerwillig schob Tucker den Hut aus dem Gesicht und blinzelte in die Richtung, aus der ihre Stimme kam.
    Richtig, im ersten Stock erblickte er Delias nur zum Teil von einem Kopftuch bedecktes feuerrotes Haar und darunter ein sorgfältig geschminktes, mißbilligend dreinschauendes Gesicht.
    Drei weiße Perlenketten klimperten gegen das Fensterbrett.
    Tucker setzte sein unschuldigstes Lächeln auf. »Was ist?«
    »Du wolltest doch in die Stadt fahren und mir eine Packung Reis und eine Kiste Cola besorgen.«
    »Tja, ähh…« Tucker rieb sich mit der noch immer kühlenden Flasche den Bauch,
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