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Seerache

Seerache

Titel: Seerache
Autoren: Manfred Megerle
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denken, dass ich mir jetzt ins Hemd mache, dann haben Sie sich geschnitten«, entgegnete er scheinbar gelassen, nachdem er sich einigermaßen gefangen hatte.
    »Sie können tun, was Sie wollen – ist Ihr Auto, oder nicht?«
    »Ah ja. Und wieso sind Sie dann eingedrungen?«, fuhr Hauschild auf, während er fieberhaft nach einem Ausweg suchte. Körperlich war er dem Hünen unterlegen – es sei denn, er nutzte das Überraschungsmoment. Wenn es ihm gelänge, dem Kerl die Faust ins Gesicht zu rammen, ihn mit einem Schlag ins Reich der Träume zu schicken … dann müsste er nur noch aus dem Wagen springen und das Fährpersonal verständigen.
    Er hatte sich bereits halbwegs dazu entschlossen, als ihn ein Klopfen gegen das Seitenfenster herumfahren ließ. Draußen stand, wie befürchtet, Glatzkopf Nummer eins, der Wodkatrinker aus dem Restaurant. Missbilligend schüttelte er den kahlen Schädel. »Können vergessen«, rief er ihm zu, »gegen Igor haben keine Chance.«
    Hauschild schluckte. Selbst wenn es ihm gelänge, Igor auszuschalten, bekäme er es postwendend mit dem zweiten Muskelprotz zu tun. Damit hatte sich sein Plan erledigt. Andererseits: Solange er sich an Bord der Fähre befand und die Fahrt andauerte, konnte er sich einigermaßen sicher fühlen. Entschlossen drehte er sich zu Igor um: »Schluss jetzt! Entweder Sie verschwinden aus meinem Wagen …«
    »Oder?«
    »Oder … oder ich hupe das ganze Schiff zusammen.«
    »Wetten, dass Sie nicht machen?«
    »Was setzen Sie dagegen?«
    Igor lachte höhnisch auf. »Einmal Spieler, immer Spieler, was?«
    Hauschild zuckte zusammen. »Was wollen Sie damit andeuten?«
    »Sie können sich nicht denken?«
    »Sagen Sie’s mir.«
    »Also gut, reden wir nicht um … wie heißt bei Ihnen? Reden wir nicht um heißen Brei herum, richtig? Sie haben Spielschulden. Hohe Spielschulden. Vierunddreißigtausend Euro. Summe wäre vor zwei Tagen fällig gewesen. Sie jetzt wissen, warum wir hier sind?«
    Hauschild wurde nun tatsächlich einiges klar. Er versuchte, Zeit zu gewinnen. »Wer schickt Sie?«, fragte er lauernd, obwohl er die Antwort bereits kannte.
    »Borowski.«
    Hauschild atmete tief durch, bevor er antwortete. »Okay, tut mir leid, ich hatte das vollkommen vergessen«, log er. »Kann ja mal passieren, oder? Bestellt Borowski, er bekommt sein Geld. Nächste Woche, nein, in zwei Tagen leg ich’s ihm auf den Tisch, dann bin ich wieder flüssig. So lange muss er sich gedulden.«
    Igor kniff die Augen zusammen. »Borowski muss gar nichts. So wenig wie wir. Wenn überhaupt einer muss, dann du, mein Freund – nämlich zahlen. Morgen Mittag, zwölf Uhr, wir sind bei dir. Und ich rate gut: Lass uns nicht hängen.«
    »Sonst?«
    »Sonst du bist nicht mehr unser Freund. Und wer nicht Freund ist, ist Feind, verstehst? Nur: Mit Feinden machen wir kurzen Prozess. Aber du bist ja vernünftig, nicht wahr? Und jetzt mach bitte schön Autotür auf.«
    »Ihr habt sie wohl nicht mehr alle! Wie soll ich so schnell vierunddreißigtausend Euro flüssig machen, könnt ihr mir das mal sagen, eh? Glaubt ihr, ich hab die Penunzen zu Hause herumliegen, oder was?«
    »Fünfzigtausend, mein Freund! Es sind fünfzigtausend. Du hast Zinsen vergessen. Und Inkassogebühr. Auch wir müssen leben, du verstehst?«
    »Verdammt. Das könnt ihr mit mir nicht machen. – Autsch!« In höchster Erregung war Hauschild hochgefahren und mit dem Kopf an den Wagenhimmel gestoßen.
    Ohne sich auch nur im Geringsten anzustrengen, drückte ihn Igor in den Sitz zurück. »Du Armer, ich weine gleich«, entgegnete er spöttisch, um mit knallharter Stimme fortzufahren: »Denkst wohl, wir wüssten nicht Bescheid über … äh, wie heißt bei euch? … Einlagen … ja, über Einlagen? Denkst, wir wüssten nicht, wie viel du bekommen hast?« Er las von einem Zettel ab, den er plötzlich in der Hand hielt: »Bundschuh hundertachtzigtausend, Lenz hundertneunzigtausend, Zöller fünfundsiebzigtausend, Sennefeldt vierhundertsechzigtausend … soll ich weiterlesen?«
    Im Bruchteil einer Sekunde wurde Hauschild aschfahl. Jetzt wusste er, in wessen Händen sich sein Smartphone befand. Dabei spielte es, wenigstens im Augenblick, nicht die geringste Rolle, auf welche Weise die Glatzköpfe sich das Ding gekrallt hatten.
    »Okay, okay, das bestreite ich ja nicht«, beteuerte er. »Aber wie ich schon sagte, die Summen sind angelegt. Was soll ich machen? Ich brauch einfach mehr Zeit.«
    Igor lächelte begütigend. »Du das
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