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Die Patin

Titel: Die Patin
Autoren: Kerstin Gier
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1.
    Anton sagte, dass ich ganz toll aussähe heute Abend. Er sagte es, während er den Jaguar rückwärts in eine Parklücke rangierte, eine Hand am Lenkrad, die andere in meinem Nacken. Ach, manche Momente im Leben waren einfach zu schön, um wahr zu sein.
    »Danke«, sagte ich. Das Kompliment hatte ich wirklich verdient, für mein Aussehen heute war der ganze Nachmittag draufgegangen: Körper-Peeling, Beinenthaarung, Haarkur, Lockenwickler, Anti-Falten-Maske, straffende Körperlotion, Augencreme, schimmernder Körperpuder - das ganze Programm. Denn heute war »die Nacht der Nächte«, wie meine Freundin Anne es genannt hatte.
    Anton wusste noch nichts davon. Aber seine Hand in meinem Nacken war schon mal ein guter Anfang.
    Ich lächelte ihn an und hoffte, dass nichts von dem angeblich absolut kussechten Lipgloss an meinen Zähnen klebte. »Du siehst aber auch nicht schlecht aus.«
    Das war noch sehr untertrieben. Anton Alsleben hatte es nicht nötig, mit Tricks wie Anti-Falten-Masken und schimmerndem Körperpuder zu arbeiten, er war einfach von Natur aus schön. Na ja, vielleicht nicht schön, aber sehr, sehr gut aussehend. So ein klassisches Modell im schwarzen Anzug, mit dunklen, kurz geschnittenen Haaren, kantigen Gesichtszügen und eindrucksvollen braun-grünen Augen, immer gut rasiert und manikürt. Ich fragte mich, ob er das selber machte oder ob er zu einer Maniküre ging. Zuzutrauen war es ihm durchaus. Vielleicht machte es auch seine Sekretärin.
    Anton ging um den Wagen herum, öffnete mir die Beifahrertür und reichte mir seinen Arm zum Aussteigen. Daran war ich mittlerweile gewöhnt. Beim ersten Mal war ich mit ihm zusammen ausgestiegen und hatte einen lauten Schrei ausgestoßen, als ich ihn überraschend auf meiner Seite wieder getroffen hatte. Antons extrem gute Manieren erinnerten mich ständig daran, dass ich auf einem Bauernhof in Nordfriesland groß geworden war. Mein Vater hatte meiner Mutter meines Wissens nur einmal aus dem Auto geholfen, und das war, als sich ihr Gipsbein zwischen zwei Kisten mit Eintagsküken verkeilt hatte.
    Es blitzte, als Anton die Wagentüre zuschlug. Ich guckte in den Himmel. Ein Sommergewitter? Bitte nicht! Das Kleid wurde garantiert durchsichtig, wenn es nass war.
    »Guck mal, Constanze«, sagte Anton. »Der Typ da vorne ist ein Paparazzo! Wartet wohl auf Prominenz. Ich hörte, dass Alfred Biolek, Tina Turner und Frauke Ludowig hier öfter essen gehen.«
    »Zusammen?«, fragte ich. Es blitzte wieder. Wahrscheinlich vertrieb sich der Paparazzo die Wartezeit auf Biolek, Turner und Ludowig mit dem Fotografieren weniger prominenter Gäste wie uns. Er war ganz offensichtlich ein Anfänger. Auf dem Weg zur Treppe kontrollierte ich unauffällig, ob das Kleid irgendwie verrutscht war. Das war das erste Mal in meinem ganzen Leben, dass ich keine Unterwäsche trug, und ich wollte auf keinen Fall morgen in der Bild-Zeitung abgebildet sein. Meine Freundin Mimi hatte mir zwar versichert, das Kleid würde nicht rutschen, schon weil es so eng war, dass es praktisch mit meinen Hüften verschmolzen war, aber ich traute der Sache nicht so recht. Meine Kleider neigten stets dazu, zu verrutschen, Knöpfe zu verlieren, Flecken zu bekommen und sich auch sonst in jeder Beziehung danebenzubenehmen. Dieses Kleid aber saß perfekt. Vielleicht, weil es nicht mein eigenes war, sondern von Mimi geliehen. Ein gut erzogenes Kleid. Ich zwang mich, meine Hände vom Kleid fern zu halten, und zog meinen Bauch ein.
    »Nichts ist unerotischer als eine Frau, die ständig an ihrenKlamotten herumzupft und -zieht«, hatte Mimi behauptet, und wenn ich heute Abend eines nicht sein wollte, dann unerotisch. Schließlich war dies die Nacht der Nächte.
    Auf der Treppe versuchte ich probeweise ein bisschen mit dem Hintern zu wackeln. Zur Strafe knickte ich mit den hauchdünnen Absätzen meiner Pumps um und stolperte. Das lag daran, dass es meine eigenen, schlecht erzogenen Schuhe waren. Bedauerlicherweise trug keine meiner Freundinnen Größe einundvierzigeinhalb.
    Wenigstens blitzte es nicht, als ich stolperte.
    Anton griff nach meiner Hand und lächelte mich an. »Ich habe Hunger, du auch?«
    »Wie ein Bär«, sagte ich.
    »Das mag ich an dir«, sagte Anton. »Dass du beim Essen so herzhaft zulangen kannst.«
    Schon wieder ein Kompliment - oder? Ich hatte seit dem Frühstück nichts gegessen vor lauter Schönheitspflege, ich würde mir den Bauch so richtig voll schlagen können.
    Aber war das auch erotisch?
    Das
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