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Die Patin

Titel: Die Patin
Autoren: Kerstin Gier
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Restaurant war eins von der piekfeinen Sorte, in dem es vor gestärktem Damast und geschliffenem Kristall nur so blinkte, alle Angestellten wie Pinguine aussahen und es für jeden Gang einen eigenen Kellner gab. Die Preise waren vermutlich so riesig wie die Portionen winzig, sodass wenigstens nicht die Gefahr bestand, dass ich Mimis Kleid um den Bauch herum unerotisch ausbeulen würde.
    »Sie hatten reserviert?«, fragte der vornehme Herr hinter dem vornehmen Stehpult und blätterte in einem vornehmen Buch.
    Anton nickte. »Alsleben«, sagte er. »Ein Tisch für zwei.«
    Der vornehme Herr fuhr mit seinem Zeigefinger die Zeilen hinab. »Alsleben ... Alsleben ... - Herr Doktor Rudolf Alsleben? Tisch für vier?«
    »Nein«, sagte Anton. »Der bin ich nicht.«
    Der Zeigefinger fuhr weiter hinab. »Äh, hier ist es. Alsleben,Tisch für zwei Personen, am Fenster gegenüber vom Kamin.« Der vornehme Herr winkte einen Pinguin herbei, der uns an den Tisch führte. »Die Herrschaften bitte zu Tisch fünf«
    »Wusste gar nicht, dass Alsleben so ein gebräuchlicher Name ist«, sagte ich, während ich mich bemühte, nicht umzuknicken, den Bauch einzuziehen und trotzdem mit dem Hintern zu wackeln. Alles eine Frage der Koordination. »Und einen Doktortitel hatte der andere auch. Lustig, oder?«
    »Nicht wirklich«, sagte Anton. »Rudolf Alsleben ist mein Vater.«
    »Ach tatsächlich?«, sagte ich, während meine Knie zu Pudding wurden. »Und der ist heute Abend auch ... ?«
    »Ja, gleich da vorne«, sagte Anton. »Komm, wir sagen schnell hallo.«
    Komm, wir rennen schnell weg, wollte ich rufen, aber da war es schon zu spät. Anton war mit mir an der Hand direkt auf Tisch sieben zugesteuert. Zwei ältere Paare mit Sektflöten in den Händen blickten zu uns auf Auf den ersten Blick bestätigten sie so ungefähr jedes Klischee, das ich über reiche, Golf spielende Beinahe-Rentner-Ehepaare parat hatte, wobei das mit dem Golfspielen natürlich ebenfalls bereits ein Klischee war: kiloweise Platin und Diamanten an Hals, Ohren und Händen, der Siegelring beim Mann, die perfekten Jacketkronen, der braune Teint, leicht runzelig bei den Männern, erstaunlich glatt bei den Frauen. Die Frauen hatten deutlich mehr Zeit und Geld in ihr Aussehen gesteckt als ich in meines. Obwohl sie mindestens fünfundzwanzig Jahre älter waren als ich, sahen sie höchstens zehn Jahre älter aus. Bei beiden sah man deutlich die Skelettstruktur im Dekolletee, was auf eine jahrzehntelange Unterernährung hinwies.
    Die Männer sahen so alt aus, wie sie waren, und ihre Skelettstruktur war auch deutlich besser gepolstert als nötig gewesen wäre, dennoch verströmten sie Selbstbewusstsein aus jeder Pore. Sie erhoben sich lächelnd.
    »So eine Überraschung.«
    »Die Welt ist klein.«
    »Schön, dich mal wieder zu sehen, mein Sohn.«
    Anton ließ meine Hand los, um andere Hände zu schütteln. Seine Mutter bekam zwei Küsschen auf die Wange, sein Vater einen Klaps auf die Schulter. Er hatte Ähnlichkeit mit Anton, die gleichen braun-grün gesprenkelten Augen, das gleiche dichte Haar, sogar der gleiche Haarschnitt, nur dass es bei ihm weiß wie Schnee war. Aber seine Nase war nicht so aristokratisch schmal und gebogen wie die seines Sohnes, sondern fleischig und mit geplatzten roten Äderchen überzogen. Ich konnte nichts dagegen machen, ich musste sofort an Rudolf das Rentier mit der roten Nase denken.
    Nachdem Anton alle begrüßt hatte, wandten sich ihre Blicke mir zu. Ich fühlte mich wie in einem Röntgenlabor und wünschte mir sehnlichst einen Bleiumhang herbei.
    »Darf ich vorstellen«, Anton zog mich ein Stückchen an sich heran, diesmal am Ellenbogen. »Das ist Constanze Bauer, eine Klientin von mir.«
    Da stand ich nun, mit einem kardinalvioletten Handtäschchen am Arm und dazu passenden Riemchen-Pumps in Größe einundvierzigeinhalb, in einem Kleid von Alaia und absolut nichts darunter.
    »Du wirst dich so sexy fühlen wie nie zuvor in deinem Leben«, hatte Mimi mir versichert.
    »Denn dies ist die Nacht der Nächte«, hatte Anne hinzugefügt.
    Tja.
    Es war einen Versuch wert gewesen. Weder Mimi noch Anne hatten ahnen können, dass dies ausgerechnet der Abend sein würde, an dem Anton mich seinen Eltern vorstellen wollte. Als seine - Klientin!
    Ich unterdrückte mühsam ein Zähneklappern, während ich allen die Hände schüttelte und »Guten Abend« murmelte. Verdammt kalt, so ohne Unterwäsche.
    Das andere Ehepaar hieß von Eiswurst, jedenfalls war es das,
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