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Die Patin

Titel: Die Patin
Autoren: Kerstin Gier
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was ich in meiner Aufregung verstand. Von Eiswurst, kein wirklich adeliger Name, aber einer, den man sich gut merken konnte. Menschen lieben es, wenn man sie mit Namen anspricht, sie fühlen sich dann beachtet und wichtig, das wusste ich noch aus meinem Psychologie-Studium. Außerdem ist es höflich.
    »Freut mich, Sie kennen zu lernen, Herr und Frau von Eiswurst«, sagte ich. »Herr Alsleben, Frau Alsleben.«
    Frau Alsleben kannte mich bereits. Es ist ein weit verbreitetes Phänomen, das Sie sicher auch kennen, man nennt es auch »Pech«: Sie legen sich am Marktstand ganz gegen Ihre Gewohnheit mit einer sich vordrängelnden Frau an, und am Tag drauf stellt sich heraus, dass es sich dabei um die neue Lehrerin Ihres Sohnes handelt. Oder Sie nehmen all Ihren Mut zusammen und weisen den arroganten Typ im dicken BMW daraufhin, dass er Ihnen den allerletzten Frauenparkplatz weggenommen hat, und zwanzig Minuten später begrüßt er sie als der Gynäkologe, der Ihnen ein Myom wegoperieren soll. Genau so war es mir mit Antons Mutter ergangen: Sie hatte mir mit ihrem Mercedes Coupe die Vorfahrt genommen, und ich hatte mich mit ihr gezankt, bevor ich wusste, dass sie die Mutter des Mannes war, von dem ich nachts zu träumen pflegte. Bei jeder Begegnung hoffte ich, sie hätte mein Gesicht vergessen, aber ich hoffte jedes Mal vergebens.
    »Vertritt Anton Sie in einer Strafsache?«, fragte sie zuckersüß.
    Wenn Sie mir noch einmal die Vorfahrt nehmen, möglicherweise, dachte ich, sagte aber zähneklappernd: »Nein, er regelt meine Scheidung.«
    »Nicht zu glauben«, sagte Rudolf mit der roten Nase. Nach seinem Blick zu urteilen schien er genau zu wissen, dass ich keine Unterwäsche trug. Das schienen mir überhaupt alle zu wissen, sogar der Kellner. »Welcher Mann lässt eine Frau wie Sie gehen?«
    Ich wusste nicht so recht, was ich darauf antworten sollte. Welcher Mann ließ eine Frau wie mich gehen? Genau genommenhatte er mich nicht gehen lassen, sondern darauf bestanden, dass ich ging und die Kinder und sämtliche gemeinsamen Erinnerungen mitnahm. An unserer Stelle war ein nicht unsympathisches Fotomodell namens Paris (sprich »Pärriss«) zu Hause eingezogen, mit hüftlangen blonden Haaren und noch längeren Beinen als meinen.
    »Oberstaatsanwalt Lorenz Wischnewski«, antwortete Anton an meiner Stelle. Es klang ein bisschen schadenfroh.
    »Aha«, sagten Herr von Eiswurst und Antons Vater wie aus einem Mund. Offenbar waren sie ebenfalls bei Gericht tätig. Obwohl, zumindest von Antons Vater wusste ich, dass er weder Anwalt noch Richter war. Er war leitender Geschäftsführer eines florierenden Pharmaunternehmens mit mehreren hundert Beschäftigten, das wohl nicht zufällig seinen Namen trug: Alsleben Pharmazeutik. Allerdings wurde die Firma des Öfteren verklagt, und möglicherweise hatte Antons Vater bei einer solchen Gelegenheit Lorenz' Bekanntschaft machen können. Oder müssen.
    »Na, von Herrn Wischnewski lohnt sich eine Scheidung sicherlich«, sagte Herr von Eiswurst. »Ich hörte, er hat ein Vermögen geerbt.«
    Na, da wusste er mehr als ich. Lorenz hatte zwar ein paar allein stehende Onkel beerbt, aber soviel ich wusste nur in Form von hässlichen Gemälden und einer Steiffteddy-Sammlung.
    »Ein sehr hübsches Kleid, meine Liebe«, sagte Frau von Eiswurst. »Nicht wahr, Polly?«
    Antons Mutter nickte. »Für den, der's tragen kann, sicher«, sagte sie.
    Ich konnte nicht glauben, dass jemand wie sie einen so fröhlichen, sympathischen Namen wie Polly trug. Das warf meine Theorie, dass jeder Mensch einen Namen trug, der zu ihm passte, völlig über den Haufen. Einen scharfen Rottweiler taufte man doch auch nicht »Kuschel«.
    »Unser Tisch wartet«, sagte Anton. »War nett, euch alle zu sehen. Einen schönen Abend noch.«
    »Ebenso«, sagte Antons Vater, und Herr von Eiswurst zwinkerte Anton bedeutungsvoll zu. Wahrscheinlich hieß das so viel wie: »Das Mädel hat keine Unterwäsche an, mein Junge, das könnte wirklich ein sehr schöner Abend werden ...«
    Die beiden Frauen lächelten. Ich sagte höflich Auf Wiedersehen - »War nett, Sie kennen gelernt zu haben, Herr und Frau Alsleben, auf Wiedersehen, Herr und Frau von Eiswurst« - und stöckelte mit Anton davon. Der Pinguin, der uns an den Tisch fuhren sollte, hatte die ganze Zeit geduldig gewartet.
    Als wir saßen, nur zwei Tische weiter als Antons Eltern, fragte ich das Erste, was mir durch den Kopf ging: »Von welchem Namen ist Polly die
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