Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelensunde

Seelensunde

Titel: Seelensunde
Autoren: Silver Eve
Vom Netzwerk:
oder?“
    Unwillkürlich wich sie ein Stück zurück und trat näher zu Malthus, als suche sie Schutz bei ihm. Der lächelte milde und meinte: „Mein Bruder hat recht. Wir sind keine Fremden.“ Er nahm Alastor den Geldschein ab und steckte ihn der jungen Barfrau in den Bund ihres kurzen Rocks, wobei er sich Zeit ließ und die Hand nicht gleich zurückzog.
    Alastor grinste, während er die beiden beobachtete. „Ich würde sagen, wir sind eher so etwas wie Blutsverwandte.“
    Das Mädchen starrte ihn an eine Zeit lang an, dann drehte sie sich auf dem Absatz um und murmelte: „Hier entlang.“
    Sie folgten ihr. Auf dem Korridor war das Dröhnen der Musik erträglicher. Vor der besagten Tür blieb das Mädchen kurz stehen. Es zögerte, dann klopfte es zweimal an, steckte den Kopfdurch den Türspalt und rief halblaut: „Besuch.“ Im nächsten Augenblick eilte sie mit raschen, kleinen Schritten den Flur hinunter und machte sich aus dem Staub.
    „Geschlossene Gesellschaft“, bellte eine unfreundliche Stimme. „Wer immer es ist, soll sich zum …“
    Die letzten Worte des Satzes erstarben, als Alastor die Tür aufstieß und mit Malthus eintrat. In der Mitte des Raums stand ein rechteckiger Holztisch, an dem drei Männer und eine Frau saßen, die im Gegensatz zu den anderen nicht zu den Sterblichen zählte.
    Einer der Männer war erregt aufgesprungen, sodass der Stuhl hinter ihm umgekippt und die Lehne krachend auf den Boden geschlagen war. Er griff in die Innentasche seines Jacketts. Aber die Frau legte ihm beruhigend ihre schwarze Klaue auf den Arm und sagte nur leise: „Nein.“
    Die Sterblichen in der Runde konnten in ihr nichts anderes erkennen als eine bemerkenswert schöne, zierliche Frau mit langem schwarzem Haar, das ihr glatt auf den Rücken fiel. Alastor hingegen schaute hinter die schöne Fassade. Er sah zwei Reihen spitzer Haifischzähne zwischen ihren Lippen und eine Haut, die wie kostbares, weiches, burgunderrot gegerbtes Leder aussah.
    Hatte die Tänzerin vorn auf der Bühne schon eine gewisse übernatürliche Ausstrahlung, diese Frau hier erklärte vollends, warum Alastor schon auf dem Parkplatz die aufgeladene Atmosphäre gespürt hatte, durch sich die Übernatürlichen verrieten. Sie war ein Feuerdämon, eine von Xaphans Bräuten. Vielleicht vor Jahrhunderten schon hatte dieses Wesen seine Seele an den Unterweltfürsten verkauft.
    Die Männer in der Runde waren gewöhnliches Halbwelt-Fußvolk, das sich im Dunstkreis der Unterweltler herumtrieb, immer in der Hoffnung, die Aufmerksamkeit der Mächtigen der Totenreiche auf sich zu ziehen und ihre Gunst zu gewinnen, um in deren erlauchten Kreis aufgenommen zu werden. Alastor fragte sich, ob auch nur einer von ihnen einen Schimmer davonhatte, welchen Preis er dafür im Ernstfall bezahlen musste – einen Preis, den die Xaphan-Braut bereits gezahlt hatte.
    Für einen Trip in die Unterwelt gab es für einen Sterblichen keine Rückfahrkarte. Und selbst für die Mächtigen der Unterwelt war die Grenze zwischen dem Reich der Menschen und dem Totenreich nicht ohne Weiteres zu überwinden. Es galt die Regel: Je mächtiger eine Gottheit im Totenreich war – Götter wie Sutekh, Osiris, Hades oder Izanami –, desto unbeweglicher waren sie. Deshalb waren sie auf Emissäre angewiesen, um untereinander zu verkehren. Es war ein im Grunde sinnvoller Umstand, der eine mehr oder weniger friedliche Koexistenz unter den eifersüchtigen und jähzornigen Gottheiten gewährleistete. Sie hatten die Unterwelt unter sich aufgeteilt wie Mafiafamilien ihre Einflusssphären in einer Großstadt. Sechstausend Jahre war auf diese Weise ein Waffenstillstand aufrechterhalten worden. Aber jetzt war er ernsthaft bedroht. Der Mord an Sutekhs Sohn Lokan schrie nach Vergeltung, und selbst wenn Sutekh sich mit seiner Rache Zeit ließ, würde er sich nicht davon abbringen lassen, die Schuldigen zu finden und zu vernichten. Das war genug Zündstoff, um einen verheerenden Krieg zu entfesseln. Und genau darin schien die Absicht der Hintermänner des Attentats zu liegen.
    „Hallo, Naamah“, begrüßte Alastor die Xaphanbraut. Sie war ihm keine Unbekannte. Denn als sein Bruder Dagan an der Seite seiner Roxy gegen die Feuerdämonen gekämpft hatte, waren sie sich schon einmal begegnet. Da die Xaphanbräute damals schmachvoll den Rückzug hatten antreten müssen, war es gut möglich, dass diese, immerhin Lieblingsgespielin des Unterweltgottes Xaphan, immer noch nicht besonders gut auf Alastor
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher