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Seelenrächer

Seelenrächer

Titel: Seelenrächer
Autoren: G O'Carroll
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glänzenden Glatze. Als Quinn die Sicherheitstür öffnete, blickte er hoch.
    »Hast du gefunden, wonach du gesucht hast?«, fragte Dunne. »Dass du an einem Sonntagabend hier auftauchst … Ich bin mir nicht sicher, ob das noch unter pflichtbewusst fällt oder vielleicht schon eher unter masochistisch.«
    Quinn brachte ein gequältes Lächeln zustande. »Noch immer da, Davey? Wenn du es genau wissen willst, ich bin hergekommen, um nach einer Schachtel Kippen zu suchen, die ich hier versteckt habe, nachdem ich mir eingeredet hatte, es sei an der Zeit, damit aufzuhören.«
    »Ich habe ein ganzes Jahr gebraucht, um aufzuhören«, bemerkte Dunne, »aber am Ende habe ich es doch geschafft.«
    »Dann besteht für mich wohl noch Hoffnung? Gott sei Dank. Nacht, Davey.«
    »Gute Nacht, Moss. Pass auf dich auf.«
    Am Tor tastete Quinn in seiner Tasche nach den Zigaretten, aber vorher brauchte er einen Drink, und da gleich gegenüber seine Unterkunft lag, hatte es wenig Sinn, sich noch eine anzuzünden. Er musste ein paar Taxis vorbeizuckeln lassen, dann einen alten Mann und eine Handvoll Touristen. Dublin war inzwischen ein richtiger Touristenmagnet, und Quinn konnte die »Hereingeschneiten« schon aus einer Meile Entfernung erkennen. »Zu lange in einer Stadt«, sagte er sich. »Dein ganzes Leben an dem einen Ort … das tut dir nicht gut, Moss.«
    Als er endlich an der Theke des Garda-Clubs saß, bestellte er ein Guinness, und während sich der Schaum setzte, reichte der Barmann ihm ein kleines Glas Jameson. Quinn wiegte es in der Hand. Sein Handy lag auf der Theke, und ganz oben auf seiner Liste stand Murphys Nummer. Seine Handfläche juckte. Der Bierschaum hatte sich inzwischen gesenkt, und Quinn sah zu, wie Billy den Rest nachschenkte.
    »Heute mal ohne Doyle?«, fragte Billy.
    »Es ist Sonntag. Bei euch läuft keine Mucke, deswegen treibt sich der alte Bussard höchstwahrscheinlich in der Talbot Street herum.«
    Quinn ließ sich das Guinness schmecken. Noch immer verspürte er den Drang, Murphy anzurufen. Billy wischte über die glänzende Theke, wendete das Geschirrtuch, das er über der Schulter hängen hatte, und wischte noch einmal nach.
    »Stimmt es, dass ihr euch ein bisschen in die Haare geraten seid, Doyle und du? Nachdem der Fall in sämtlichen Zeitungen war, ist mir zu Ohren gekommen, dass es zwischen euch Streit gab.«
    Quinn lehnte sich zurück. »Das war vor sechs Monaten, Billy. Aber ja, du hast recht, wir haben uns gestritten. Manchmal besitzt Doyle das Zartgefühl eines fliegenden Ziegelsteins, und auf diese Tatsache habe ich ihn aufmerksam gemacht, als wir uns nach ein paar Bierchen auf der Abbey Street gegenüberstanden.«
    »Das habe ich gehört: dass ihr beide es euch gegeben habt. Daniel O’Connell hat alles gesehen.«
    »Es ist nicht zu Handgreiflichkeiten gekommen, Billy. Ich bin nicht so blöd, mich mit dem alten Lumpenarsch zu prügeln.«
    Er konnte dem Drang, Murphy anzurufen, kaum noch widerstehen. Sie war jung und attraktiv und genau wie er verheiratet. Seit die Sonderermittlungen in Naas angeordnet worden waren, hatten sie beide sehr eng zusammengearbeitet. Sie teilten sich den Wagen und manchmal auch den Schreibtisch, wenn sie Seite an Seite über den Akten jener fünf Vermissten brüteten. Bisher war er seiner Frau noch nie untreu gewesen und hatte auch nie vorgehabt, sie zu betrügen. Allerdings hätte er sich früher auch nie vorstellen können, dass er ein Jahr nach dem Tod seines Sohnes über dem Garda-Club wohnen würde.
    Er ging hinaus, um eine zu rauchen. Gegen das Geländer gelehnt, blickte er zu dem flachen Dach der Dubliner Polizeizentrale hinüber. Es sah aus wie der Kopf eines Insekts, besetzt mit einer Vielzahl von Fühlern. In der Handfläche hielt er das Handy, auf dem noch immer Murphys Nummer zu sehen war. Während er jetzt an sie dachte, ließ sein Speichelfluss bereits etwas nach. Erst als er ihre Stimme hörte, wurde ihm bewusst, dass er die Nummer tatsächlich gewählt hatte.
    »Hallo Moss.« Sie klang weich, warm und einladend.
    Seine eigene Stimme klang gepresst. »Keira«, sagte er, »was machst du denn gerade?«
    Als er die Ecke Harrington Street erreichte, stieg sie aus ihrem Wagen. Er registrierte ihr dunkles Haar und den Olivton ihrer Haut. Lächelnd sah sie ihm entgegen. Quinn wurde bewusst, dass er zitterte. Nachdem er sechs Monate lang versucht hatte, seine Ehe zu retten, empfand er die Vorstellung, gleich mit dieser Frau allein zu sein, plötzlich als sehr
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