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Seelenrächer

Seelenrächer

Titel: Seelenrächer
Autoren: G O'Carroll
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Schauder durch seinen Körper jagte. Hand in Hand gingen sie ins Schlafzimmer hinüber.
    Nackt schmiegte er sich an sie.
    Das war mehr als nur Sex, mehr als Lust, Begierde oder Einsamkeit: Es war die Krönung von sechs Wochen, in denen sie so eng zusammengearbeitet hatten, dass sie einander inzwischen bereits am Schritt erkannten. Es war mehr als eine Erlösung, mehr als ein Ventil für Frustration oder Wut. Fast ein ganzes Jahr lang hatte er sich so hilflos gefühlt.
    Er hatte den Ausdruck in den Augen seiner Frau gesehen, als ihr Sohn ums Leben kam, und er hatte miterleben müssen, wie das Licht, das in diesen Augen für ihn brannte, langsam erlosch. Er hatte ihre Reaktion erlebt, als sie den Termin für Maggs’ Prozess festgesetzt hatten. Sie hatte ihm vorgeworfen, er suche nur nach einem Sündenbock. Ihr zufolge ging es dabei überhaupt nicht um Maggs. Es ging nicht einmal um den Mord an Mary Harrington, sondern einzig und allein um Moss Quinn, das Wunderkind von Dublin: den Bullen, der es nicht schaffte, den Mann zu fangen, der seinen Sohn getötet hatte.

Sonntag, 31, August, 22:10 Uhr
    Evas Hände waren gefesselt, ihre Füße an den Knöcheln zusammengebunden. Mit dem Klebeband über dem Mund war sie nicht in der Lage zu sprechen. Er starrte ihr in die Augen. Sie zitterte und bebte am ganzen Körper – vor lauter Angst und Verwirrung krampften ihre Muskeln. Ihr Gesichtsausdruck verriet, dass sie noch immer nicht begriff, was da gerade mit ihr passierte. Kannte sie ihn?
    Hatte sie das Gefühl, ihn zu kennen? Klang seine Stimme vertraut?
    Er kauerte sich neben sie, die Unterarme auf die Oberschenkel gestützt. Dann neigte er den Kopf zur Seite. Seine Stimme rasselte wie Steine im strömenden Wasser. »Würdest du jetzt gerne ein letztes Mal mit ihm reden? Wünschst du dir, du hättest die Chance gehabt, ihm noch einmal zu sagen, wie sehr du ihn geliebt hast? Hättest du dich gerne von ihm verabschiedet, statt ihn so vorzufinden: mit zerschmettertem Schädel, das Gehirn über den ganzen Gehsteig verteilt?«
    Sie starrte ihn nur an, wenn auch mit Tränen in den Augen. »Es gab niemanden, der die Verantwortung übernehmen wollte, niemanden, dem man die Schuld geben konnte. Niemanden außer deinem Mann.« Er schwieg einen Moment. »Was natürlich bedeutet, dass du jetzt ganz auf dich allein gestellt bist. Du hast es ja so gewollt, aber ich frage mich – ist es wirklich das, was du wolltest?« Er musterte sie durch die Skimaske. »Du weißt es selber nicht, stimmt’s? Du bist so verwirrt. Natürlich bist du das. Es ist ja tatsächlich verwirrend.« Er erhob sich und blickte auf sie hinunter. Dabei zeichnete sich seine Silhouette deutlich vor den Bäumen ab. »Aber nun ist es zu spät. Das begreifst du doch, oder? Zu spät, Eva. Nun ist es zu spät, um noch irgendetwas daran zu ändern.«
    Eva konnte sich nicht bewegen. Sie konnte nur an Laura und Jess denken, die allein zu Hause waren. Verzweifelt versuchte sie, die Hände frei zu bekommen. Dann versuchte sie aufzustehen, doch ihre Knöchel waren so fest zusammengebunden, dass sie ihre Füße nicht mehr spürte. Sie wollte schreien, aber eine dicke Schicht Klebeband verschloss ihren Mund. Tränen strömten ihr übers Gesicht, und plötzlich ergriff Panik von ihr Besitz. Sie konnte nichts tun. Er hievte sie hoch und schwang sie über seine Schulter, so dass ihr das Blut in den Kopf strömte, während er sie in den Wald hineintrug.

Sonntag, 31. August, 22:17 Uhr
    John Hanrahan wusste, dass sein Sohn nicht da war. Er selbst lag schon im Bett, in dem schäbigen, alten Häuschen an der Mündung des Shannon. Der Fluss war dort so breit, dass die Fischer vorzugsweise mit dem Schleppnetz in dem weiten, schilfbestandenen Gewässer fischten. Jimmy war den ganzen Tag nicht zu Hause gewesen: Er war am Vorabend spät heimgekommen und morgens wieder früh aufgebrochen. Nun war schon wieder später Abend, und John wusste, dass der Junge nicht nach Hause kommen würde.
    Er lag in der Dunkelheit und lauschte, wie er es jede Nacht tat. Wenn sein Sohn daheim war, wenn Jimmy im Haus war, dann fand er es nicht ganz so schlimm. Zwar stand Jimmy nie auf, um mit ihm hinunterzugehen. Der Junge bekam nie etwas davon mit, aber allein schon das Wissen, dass er im Haus war, machte die Aufgabe ein klein wenig leichter.
    Wenn John jedoch allein war und der Wind heulte, war es fast ein Ding der Unmöglichkeit, aus dem Bett zu kriechen.
    Wenn er schließlich doch aufstand, überkam ihn manchmal
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