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Seelennoete

Seelennoete

Titel: Seelennoete
Autoren: Isabell Schmitt-Egner
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schon?“, fragte Sam.
    „Ja“, sagte Bill. „Angst?“
    Sam nickte.
     
     
    Abernathy sah zufrieden auf einen kleinen Bildschirm, auf dem sich ein roter Punkt über eine virtuelle Stadtkarte bewegte. Der Fisch hatte angebissen. Er warf einen Blick zu dem Mädchen hinüber, das anscheinend unter der Decke schmollte. Es war Zeit, aufzubrechen.
     
     
    Bill fuhr langsam auf den Hof der Schokoladenfabrik. Es war niemand zu sehen. Sam sah ihn mit großen Augen an. „Muss ich jetzt hier aussteigen?“
    „Ich fürchte, ja. Und sieh mich nicht so an. Ich fühl mich eh schon wie ein beschissener Kinderhändler.“
    Sam senkte den Kopf und stieg aus. Er schloss die Tür.
    Scheiße, dachte Bill. Er stieg auch aus und ging um den Wagen herum.
    „Komm her“, sagte er. Er nahm Sam in die Arme. Das tat er so gut wie nie und es fühlte sich merkwürdig an. Fremd, als ob ein Instinkt ihm zuflüsterte, dass dies kein menschliches Geschöpf war. Um seine Unsicherheit zu überspielen, klopfte Bill dem kleineren Jungen kurz auf den Rücken und schob ihn von sich weg.
    „Ich bin dir echt dankbar, okay? Das vergess ich dir nie. Wir versuchen alles, um dich zurückzuholen. Denk immer dran.“
    Sam nickte, sah aber zu Boden.
    „Okay.“ Bill legte ihm kurz die Hand auf die Schulter, dann ging er zum Auto zurück und stieg ein. Als er losfuhr, sah er Sam im Rückspiegel allein barfuß auf dem großen Hof stehen. Er fühlte sich so mies, wie noch nie in seinem Leben.
    Kaum rollte der Wagen auf die Straße, schlossen sich die großen Eisentore hinter ihm.
    Abernathy! Er musste auf dem Gelände sein! Bill legte eine Vollbremsung ein. Mit einem dumpfen Klong trafen die massiven Torhälften aufeinander. Zu spät. Die Mauer war locker fünf Meter hoch. Jetzt wurde Bill klar, warum Abernathy diesen Hof ausgewählt hatte. Er konnte Sam nun in aller Ruhe aufsammeln. Bill griff zum Handy, um George auf den neuesten Stand zu bringen.
     
     
    Sam sah, wie sich die großen Tore schlossen. Er hatte furchtbare Angst. Und er musste bald ins Wasser zurück, sonst würde die Verwandlung einsetzen. Er konnte nicht mehr so lange mit Beinen herumlaufen wie früher. In den letzten Monaten hatte er sich fast nur im Wasser aufgehalten, weil Bill Landgänge gefährlich fand.
    Ein Motorengeräusch ließ ihn aufhorchen. Ein großer schwarzer Wagen rollte über den Hof und hielt an. Die Tür ging auf und Abernathy stieg aus.
    „Hallo, Sam. Es ist wunderbar, dich zu sehen.“
     
     
    „George? Sam ist im Hof! Du kannst losfahren. Abernathy ist auch hier! Er konnte die Fabriktore schließen, nachdem ich Sam abgegeben habe. Ich weiß nicht, wie ich an ihn rankommen könnte …“
    „Bill!“, rief George aufgeregt ins Telefon. „Ich bin schon bei dem Restaurant. In den Mülleimern ist kein Telefon!!“
    „Was??“
    „Der Kerl hat uns reingelegt. Hier ist nichts!“
     
     
    „Steig ein, Sam. Nur keine Angst.“ Abernathy hielt ihm die Tür auf. Sam kam langsam näher. Er hätte Abernathy fast nicht wiedererkannt. Er sah so anders aus.
    Abernathy lächelte.
    „Erkennst du mich nicht? Erstaunlich, was man mit ein bisschen Sport und ein paar Solariumbesuchen alles ausrichten kann. Na komm, wir fahren jetzt zu deiner Freundin und geben ihr Wasser. Sie ist bestimmt sehr durstig.“
    Sam stieg in den Wagen. Abernathy schlug die Tür zu und ging um das Auto herum. Er stieg ebenfalls ein. Dann griff er über Sam hinweg und zog einen Gurt über Sams Brust, den er auf der anderen Seite befestigte.
    „So. Man muss sich immer anschnallen im Auto. Weißt du das nicht?“, fragte Abernathy. Sam zog an dem Gurt, der ihn straff an den Sitz fesselte.
    „Ich kenne Anschnallgurte. Das ist keiner.“
    „Was du nicht sagst“, lächelte Abernathy. Dann fuhr er los.
     
     
    Bill sprang aus dem Wagen und rannte zu der Mauer.
    „SAAAAM!“, brüllte er. „Versteck dich!! Geh nicht mit ihm mit!! Er will Laine nicht rausgeben!!“
    Keine Antwort. Bill schrie wieder nach Sam.
    Absolute Stille.
     
     
    Abernathy verließ das Grundstück durch ein kleines Tor am anderen Ende des Geländes.
    „So, das hätten wir“, sagte er fröhlich. „Ich bin so froh, dass du wieder bei mir bist, Sam. Ich weiß, dass du jetzt Angst hast, aber ich meine das ganz ernst, wenn ich sage, dass wir beide noch mal ganz von vorne anfangen können. Wir hatten nur einen schlechten Start, das ist alles. Ich hatte viel Zeit, mich auf dich vorzubereiten. Die Bedingungen sind ideal für dich, du
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