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Seelennoete

Seelennoete

Titel: Seelennoete
Autoren: Isabell Schmitt-Egner
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nach.
    Ihr Handy war völlig nutzlos. Ein kleines Gerät, das Abernathy in nicht erreichbarer Höhe in der Halle aufgehängt hatte, blockierte den Empfang. Das massive Gitter bekam sie nicht auf und sie wurde langsam durstig. Ziemlich aussichtslos. Sie konnte natürlich versuchen, eine Krankheit vorzutäuschen, oder Radau machen, bis es Abernathy zuviel wurde. Aber die ultimative Lösung war das nicht. Sie brauchte einen Plan. Falls Sam tatsächlich hier auftauchte, würde sie also nicht frei sein. So dumm war Abernathy auch wieder nicht. Oder er fuhr mit ihr zu einem Treffpunkt, wo eine Art Tausch oder Übergabe stattfand. Aber das war eher unwahrscheinlich. Der Fuchs kam nicht aus seinem Bau. Laine seufzte. Ihre Zunge fühlte sich trocken an. Ob er sie wirklich verdursten ließ? Sie dachte an Bill. Wo war er gerade, was tat er? Suchte er Sam und was geschah, wenn er ihn fand? Sie glaubte nicht, dass Sam sich gegen die Auslieferung sträuben würde. Dazu hatte er sie zu gern.
    Mein süßer Meeresfreund, dachte Laine. So nannte sie ihn, wenn Bill gerade nicht zuhörte.
    Mein süßer Meeresfreund. Sie sah Sams hellgrüne Augen vor sich. Neugierig, wohlwollend, aufmerksam. So schaute er sie meistens an. Voller Zuneigung. Die Vorstellung, Sam in  Abernathys Klauen zu sehen, war das Schlimmste an der Situation, das Allerschlimmste. Laine wusste nicht, ob sie stark genug sein konnte, um das auszuhalten.
    Bring ihn nicht her, Schatz, dachte sie, als könnte Bill ihre Gedanken empfangen. Bring Sam nicht zu ihm.
     
     
    Sam saß in Turnhosen auf dem Sand und zog sich das T-Shirt über den Kopf. Er versuchte aufzustehen. Bill half ihm, aber Sam schwankte so stark, dass er ihn wieder zu Boden gleiten ließ. George hatte das Ganze mit kritischen und ungläubigen Blicken verfolgt.
    „Ich bin ein wenig aus der Übung“, sagte Sam. „Hab ich lange nicht mehr gemacht. Tut mir leid.“
    Er blieb mit geschlossenen Augen im Sand liegen.
    „Wie ist so was nur möglich?“, flüsterte George. „Bill, gibt es noch mehr von diesen Wesen? Wie kann das sein?“
    „Also ein paar gibt’s sicher noch. Sam redet da nicht gerne drüber. Hab ich recht, Fischboy?“ Bill beugte sich über Sam und stieß ihn leicht an. Sam blinzelte nur, blieb aber im Sand liegen.
    Bill und George sahen sich an.
    „Das wird ein Stück Arbeit“, sagte Bill.
    Sie brauchten ziemlich lange, bis Sam mit ihnen auf dem Sandweg ankam. Auf den letzten Metern machte Sam schlapp. George fing ihn auf, als seine Beine wegknickten, und trug ihn zum Wagen. Er legte ihn auf die Vordersitze des Pickups.
    „Wie geht es dir?“, fragte George. Sam öffnete die Augen ein wenig. Er wusste nicht, warum dieser Menschenmann so freundlich zu ihm war, aber es tat unfassbar gut. Bill kümmerte sich nie so um ihn. 
    „Es geht, danke“, sagte Sam leise. Zögernd streckte George die Hand nach Sam aus und strich ihm über den Kopf. Sam schloss die Augen wieder und lag ganz still. Er hoffte, dass George noch ein bisschen bei ihm bleiben und vielleicht sogar ein zweites Mal über sein Haar streichen würde. Es war diesem Mann nicht egal, was mit ihm geschah und das war Balsam für Sams Seele. Bill wollte Laine zurückhaben, aber George war Laines Vater und sorgte sich trotzdem um ihn.
    „In dem Zustand können wir ihn doch nicht diesem Abernathy ausliefern. Er ist fix und fertig“, sagte George leise zu Bill.
    „Hast du ne bessere Idee? Sam erholt sich bald wieder. Das ist immer so mit ihm. Hast du vergessen? Laine ist deine Tochter.“
    „Das habe ich nicht vergessen! Aber dieser Junge ist noch ein halbes Kind! Es muss doch eine andere Möglichkeit geben.“
    „Wenn wir Laine erst zurückhaben, können wir alle Hebel in Bewegung setzen, um Sam zu finden. Laine kann uns bestimmt auch Hinweise geben. Es geht nicht anders.“
    Bill ging zur Fahrerseite und stieg ein.
    „Ich fahre jetzt zur Schokoladenfabrik und du zu dem Mexikaner. Aber warte, bis ich dich angerufen habe. Wir halten Handykontakt.“
    „Danke, Bill“, sagte George. Dann wandte er sich Sam zu. „Es gefällt mir nicht, was wir hier tun. Ein Kind gegen ein anderes zu tauschen, ist nicht richtig. Ich hoffe, du kannst uns das irgendwann verzeihen.“ George strich Sam noch mal über den Kopf, dann schloss er die Wagentür. Sam richtete sich auf und sah aus dem Fenster. George ging zu dem anderen Auto und stieg ein. Sam versuchte, ihn noch mal zu sehen, bevor er ganz aus seinem Blickfeld verschwand.
    „Fahren wir
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