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Seelennacht

Seelennacht

Titel: Seelennacht
Autoren: Kelley Armstrong
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meine Spezialität. Also musste es wohl ein Geist gewesen sein, egal wie nachdrücklich jeder Instinkt in mir auch darauf beharrte, dass es keiner gewesen war. Mit Sicherheit wusste ich nur, dass ich es nicht eilig hatte, in mein Zimmer zurückzukehren.
    »Also, Chloe …« Dr. Davidoff hielt inne, als er sah, dass ich mir die Gänsehaut auf den Armen rieb. »Kalt? Ich sage Bescheid, sie sollen in deinem Zimmer die Heizung aufdrehen. Es ist uns wichtig, dass es dir gutgeht.«
    Wir setzten uns wieder in Bewegung.
    »Aber sich behaglich fühlen ist nicht einfach nur eine körperliche Sache, stimmt’s?«, fuhr er fort. »Genauso wichtig, vielleicht wichtiger noch, ist die innere Ruhe. Ein Gefühl der Sicherheit. Ich weiß, dass du wütend und verwirrt bist, und es hat nicht gerade geholfen, dass wir uns geweigert haben, deine Fragen zu beantworten. Wir hatten es eilig, uns die Orte anzusehen, die du uns genannt hast.«
    Er war nicht lang genug fort gewesen, um Orte abzuklappern, die Meilen entfernt sein mussten. Ich wusste, was er wirklich überprüft hatte: Er hatte sich meine Geschichte von Rae bestätigen lassen. Und sie dürfte es getan haben. Sie kannte den wirklichen Treffpunkt nicht. Sie wusste nur, dass ich gesagt hatte, die Jungs würden sich mit uns treffen.
    Dr. Davidoff öffnete eine Tür am Ende des Flurs. Es war ein Überwachungsraum, die Wände waren mit Flachbildschirmen übersät. Ein junger Mann fuhr auf seinem Drehstuhl herum, als hätten wir ihn gerade dabei erwischt, wie er sich ein paar Pornoseiten im Netz ansah.
    »Gehen Sie doch und besorgen sich einen Kaffee, Rob«, sagte Dr. Davidoff. »Wir übernehmen hier so lang.«
    Nachdem der Wachmann verschwunden war, wandte sich Dr. Davidoff wieder an mich: »Du bekommst später noch mehr von dem Gebäude zu sehen. Im Moment«, er zeigte zu den Monitoren hinüber, »reicht das vielleicht erst mal, um dir einen ersten Eindruck zu verschaffen.«
    Hielt der mich für bescheuert? Mir war klar, was er wirklich tat: mir zeigen, wie gut bewacht das Gebäude war – nur für den Fall, dass ich wieder eine Flucht planen sollte. Allerdings gab er mir so zugleich auch Gelegenheit, mir anzusehen, womit ich es zu tun haben würde.
    »Du siehst, in deinem Zimmer gibt es keine Kamera«, erklärte er. »Nur im Flur.«
    Zwei Kameras im Flur, an jedem Ende eine. Ich sah mir die übrigen Bildschirme an. Manche davon wechselten von einer Kamera zur anderen und lieferten Aufnahmen von Gängen und Türen aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Zwei zeigten Laborräume, beide leer und mit gedämpfter Beleuchtung, wahrscheinlich weil heute Sonntag war.
    Auf dem Schreibtisch stand ein Monitor älterer Bauart. Die Kabel liefen kreuz und quer, als hätte man es bei der Installation eilig gehabt. Der winzige Bildschirm war schwarzweiß und zeigte etwas, das aussah wie ein Lagerraum mit von Kisten gesäumten Wänden. Ich sah den Rücken eines Mädchens, das auf einem Beanbag saß. Sie fläzte auf dem Sitzsack, die Beine neben einer Spielkonsole ausgestreckt, den Controller in den dunklen Händen. Lange Locken fielen über die Rückseite des Sacks. Sie sah aus wie Rae. Oder vielleicht auch wie jemand, der die Aufgabe hatte, mich davon zu überzeugen, dass mit ihr alles in Ordnung war – sie spielte Spiele, war nicht eingesperrt, brüllte nicht nach … In dem Moment streckte das Mädchen die Hand nach einer Dose 7 UP aus, und ich sah ihr Gesicht. Rae.
    »Ja, Rae hat es uns schon erklärt – der GameCube ist vollkommen veraltet. Aber nachdem wir versprochen hatten, ihn durch das neueste Modell zu ersetzen, hat sie sich drauf eingelassen, vorerst auf ihm zu spielen.«
    Sein Blick ließ den Bildschirm nicht los, während er sprach. Der Ausdruck auf seinem Gesicht war beinahe … liebevoll. Als er sich wieder mir zuwandte, veränderte sich sein Gesichtsausdruck, fast als wollte er sagen:
Ich mag dich wirklich, Chloe, aber eine Rachelle bist du nicht.
    Ich war … verwirrt. Vielleicht sogar eine Spur verletzt, als gäbe es immer noch einen Teil von mir, der einfach nur gemocht werden wollte.
    Er zeigte auf den Bildschirm. »Du siehst schon, wir waren nicht drauf vorbereitet, euch Kids hier zu haben, aber wir sind dabei, alles einzurichten. Es wird nie so wohnlich sein wie Lyle House, aber ihr fünf werdet es hier behaglich haben, vielleicht sogar komfortabler als vorher, wenn wir diese ganzen unglückseligen Missverständnisse ausräumen konnten.«
    Wir fünf? Das musste dann wohl
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