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Seelennacht

Seelennacht

Titel: Seelennacht
Autoren: Kelley Armstrong
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nicht in der Nähe eines Grabes auf, aber das musste nicht unbedingt bedeuten, dass sich in der Umgebung nirgendwo Leichen befanden. Also legte ich nur langsam und ganz allmählich mehr Anstrengung in die Sache, konzentrierte mich mehr und mehr, bis …
    »Was zum …? Hey, wer bist denn du?«
    Meine Augen öffneten sich abrupt. Vor mir stand ein dunkelhaariger Junge, etwa in meinem Alter, mit dem Körperbau, dem Aussehen und dem arrogant vorgereckten Kinn eines Star-Quarterbacks. Dass ich gerade hier den Geist eines zweiten Teenagers antraf, war mit Sicherheit kein Zufall. Ein Name kam mir in den Sinn – der eines weiteren Bewohners von Lyle House, der von dort verschwunden war, bevor ich eingeliefert worden war. Angeblich in eine psychiatrische Klinik verlegt, genau wie Liz.
    »Brady?«, fragte ich versuchsweise.
    »Yeah, aber dich kenne ich nicht. Und den Laden hier auch nicht.«
    Er drehte sich um die eigene Achse und musterte das Zimmer, dann rieb er sich den Nacken. Ich konnte mich gerade noch davon abhalten, ihn zu fragen, ob mit ihm alles okay wäre. Selbstverständlich war es das nicht. Er war tot. Genau wie Liz. Ich schluckte.
    »Was ist mit dir passiert?«, fragte ich leise.
    Er fuhr zusammen, als habe meine Stimme ihn überrascht.
    »Ist sonst noch jemand hier?«, fragte ich in der Hoffnung, er könnte Liz wahrnehmen, irgendwo jenseits der Barriere, wo ich sie nicht sah.
    »Ich habe gedacht, ich hätte gehört …« Er musterte mich und runzelte die Stirn. »Hast du mich hergeholt?«
    »Ich … ich wollte das nicht. Aber jetzt, wo du hier bist, kannst du mir vielleicht sagen …?«
    »Nein. Ich kann dir überhaupt nichts sagen.« Er straffte die Schultern. »Ganz gleich, worüber du reden willst, ich bin nicht interessiert.«
    Er wandte den Blick ab, entschlossen, nicht interessiert zu wirken. Als er zu verblassen begann, war ich zunächst bereit, ihn gehen zu lassen. Ruhe in Frieden. Dann fielen mir Rae und Simon und Derek wieder ein. Wenn ich keine Antworten auf meine Fragen bekam, würden wir alle Brady vielleicht bald im Jenseits wiedersehen.
    »Ich heiße Chloe«, sagte ich schnell. »Ich bin eine Freundin von Rae. Aus Lyle House. Ich war mit ihr zusammen dort, nach dir …«
    Er wurde immer durchscheinender.
    »Warte!«, rief ich. »Ich kann’s beweisen. Dort in Lyle House. Du hast einen Streit mit Derek anfangen wollen, und Simon hat dich aus dem Weg gehauen. Aber er hat dich nicht berührt. Er hat Magie verwendet.«
    »Magie?«
    »Es war eine Formel, mit der man Leute aus dem Weg stoßen kann. Simon ist ein Magier. Alle Teenager in Lyle House …«
    »Ich hab’s doch gewusst. Ich hab’s gewusst!« Er fluchte leise vor sich hin, während seine Gestalt wieder klarer wurde. »Die ganze Zeit dort haben die versucht, mir ihre Diagnose ins Hirn zu trichtern, und ich hab ihnen gesagt, wo sie sie sich stattdessen hinschieben sollen, aber ich hab nichts beweisen können.«
    »Du hast den Schwestern erzählt, was zwischen dir und Simon passiert ist, oder?«
    »Schwestern?« Er schnaubte. »Gefängniswärter ohne Uniform. Ich hab mit dem wirklichen Boss reden wollen, mit Davidoff. Sie haben mich zu seinem anderen Laden gefahren, hat ausgesehen wie ein Lagerhaus oder so was.«
    Ich beschrieb ihm, was ich von dem Gebäude gesehen hatte, als wir eingetroffen waren.
    »Yeah, das ist es. Sie haben mich reingebracht, und …« Eine Falte grub sich in seine Stirn, als er sich zu erinnern versuchte. »Eine Frau ist gekommen und hat mit mir geredet. So eine Blonde, hat gesagt, sie wär Ärztin. Bellows? Fellows?«
    Tante Lauren. Ich fühlte mein Herz gegen die Rippen hämmern. »Diese Frau, Dr. Fellows, hat also …«
    »Sie hat gewollt, dass ich sage, Derek hätte den Streit angefangen. Dass er mir gedroht hätte, mich rumgestoßen, geboxt hätte, was auch immer. Ich hab’s mir überlegt. Kleine Wiedergutmachung für den Mist, den ich mir von dem Widerling die ganze Zeit hab gefallen lassen müssen. Aber wir hatten bloß rumgealbert, als Simon plötzlich aggressiv geworden ist und mich mit dieser Formel erwischt hat.«
    In der Version, die ich gehört hatte, war Brady derjenige gewesen, der Derek gegenüber aggressiv geworden war, weswegen Simon einen guten Grund gehabt hatte, sich einzumischen – als Derek das letzte Mal wirklich zugeschlagen hatte, hatte er einem Jungen das Rückgrat gebrochen.
    »Dr. Fellows hat also gewollt, dass du behauptest, Derek hätte angefangen …«
    »Hab’s aber
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