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Seelenlos

Seelenlos

Titel: Seelenlos
Autoren: D Koontz
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Arbeitsinsel in der Mitte des Raums gehockt.
    Grimmig hob ich den Besen wie eine Keule und bewegte mich vorsichtig durch den Raum. Der glänzende Mahagoniboden entlockte den Gummisohlen meiner Schuhe ein leises Quietschen.
    Als ich drei Viertel der Arbeitsinsel umrundet hatte, hörte ich hinter mir die Aufzugtür aufgehen.
    Ich wirbelte herum und sah nicht Simon, sondern einen Fremden. Offenbar hatte er tatsächlich auf den Aufzug gewartet, und als ich nicht darin gewesen war, hatte er meine List erkannt. Geistesgegenwärtig hatte er sich daraufhin in der Kabine verborgen, kurz bevor ich durch die Tür getreten war.
    Er war geschmeidig und voll angespannter Kraft. In seinen grünen Augen leuchtete ein schreckliches Wissen; es waren die Augen von jemandem, der all die vielen Wege kannte, die aus dem Garten Eden führten. Seine schuppigen Lippen waren zu einer vollkommenen Lüge verzogen, zu einem Lächeln, in dem die Bosheit sich als freundliche Absicht tarnte und dessen Vergnügtheit aus tropfendem Gift bestand.

    Bevor ich mir auch noch eine schlangenhafte Metapher für seine Nase ausdenken konnte, schlug der hinterhältige Bastard zu. Er betätigte den Abzug eines Tasers und feuerte zwei mit dünnen Drähten verbundene Pfeile ab, die sich durch mein T-Shirt bohrten und mich mit einem Elektroschock schachmatt setzten.
    Ich stürzte zu Boden wie eine durch die Lüfte fliegende Hexe, der plötzlich die Zauberkraft abhandengekommen ist: hart und mit einem nutzlosen Besen in den Händen.

4
    Wenn man etwa fünfzigtausend Volt aus einer Elektroschockpistole absorbiert hat, vergeht eine gewisse Zeit, bis man sich wieder pudelwohl fühlt.
    Auf dem Boden liegend, imitierte ich vorerst eine zertretene Kakerlake. Der motorischen Kontrolle beraubt, zuckte ich heftig vor mich hin und versuchte zu schreien, keuchte jedoch lediglich.
    Dem stechenden Schmerz des Schocks folgte ein heißes Pulsieren, das mit solcher Macht durch alle Nervenbahnen meines Körpers fuhr, dass ich sie so deutlich zu sehen glaubte wie Straßen auf einer Landkarte.
    Ich verfluchte den Angreifer, doch die Beleidigung kam nur als Wimmern heraus. Irgendwie hörte ich mich an wie eine nervöse Wüstenrennmaus.
    Der Mann stand drohend über mir, als wollte er gleich auf mir herumtrampeln. Er war die Sorte Mensch, die so etwas genoss. Wenn er keine genagelten Stiefel trug, dann lag das bestimmt nur daran, dass die sich beim Schuster befanden, um vorne mit neuen Spikes ausgerüstet zu werden.
    Meine Arme flatterten, meine Hände krampften sich zusammen. Ich konnte nicht einmal mein Gesicht schützen.
    Er sagte etwas, doch seine Worte hatten keinerlei Bedeutung. Sie hörten sich an wie das Sprühen und Knistern kurzgeschlossener Stromkabel.

    Als er den Besen aufhob, erkannte ich an der Art und Weise, wie er ihn hielt, dass er vorhatte, mir den stumpfen Metallstiel wiederholt ins Gesicht zu rammen. Anschließend würde der Elefantenmensch, verglichen mit mir, aussehen wie das Titelmodell einer Lifestyle-Zeitschrift.
    Er hob den verhexten Besen hoch über den Kopf, doch statt ihn mir ins Gesicht zu rammen, wandte er sich unvermittelt um und blickte in Richtung des Hauseingangs.
    Offenbar hatte er etwas gehört, was ihn dazu brachte, seine Prioritäten zu ändern, denn er warf den Besen beiseite. Dann verschwand er in dem Raum, aus dem ich gekommen war, um das Haus zweifellos durch die Hintertür zu verlassen.
    Ein anhaltendes Summen in den Ohren hinderte mich daran zu hören, was der Angreifer gehört hatte, doch wahrscheinlich war Chief Porter mit seinen Leuten eingetroffen. Ich hatte ihm zwar gesagt, Dr. Jessup liege tot in seinem Schlafzimmer, doch bestimmt ordnete er vorschriftsmäßig an, das ganze Haus zu durchsuchen.
    Ich hatte großes Interesse daran, dabei nicht entdeckt zu werden.
    Bei der Polizei von Pico Mundo weiß nur der Chief etwas von meinen Begabungen. Falls ich je wieder als Erster am Tatort eines Verbrechens auftauchen sollte, werden sich eine Menge seiner Mitarbeiter noch mehr Gedanken über mich machen, als sie es ohnehin schon tun.
    Zwar würde höchstwahrscheinlich keiner von ihnen zu dem Schluss gelangen, dass sich manchmal ruhelose Tote an mich wenden, damit ich ihnen Gerechtigkeit verschaffe. Dennoch möchte ich kein Risiko eingehen.
    Mein Leben ist bereits äußerst merkwürdig und so komplex, dass ich meine geistige Gesundheit nur durch einen strikt minimalistischen Lebensstil bewahren kann. Ich reise nicht. Ich
gehe fast überallhin
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