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Seelenlos

Seelenlos

Titel: Seelenlos
Autoren: D Koontz
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besitze weder einen Anzug noch eine Krawatte. Schuhe, die gewienert werden müssen, ebenfalls nicht.
    Für kühles Wetter habe ich zwei Rundhalspullover.
    Einmal habe ich mir einen Pullunder gekauft. Vorübergehender Wahnsinn. Als mir am nächsten Tag klar wurde, dass
meine Garderobe dadurch undenkbar kompliziert geworden war, brachte ich ihn sofort in den Laden zurück.
    Mein hundertachtzig Kilo schwerer Freund und Mentor P. Oswald Boone hat warnend bemerkt, mein Kleidungsstil stelle eine ernsthafte Bedrohung für die Textilindustrie dar.
    Wie ich daraufhin schon mehr als einmal angemerkt habe, besitzt Ozzie eine Garderobe von derart gewaltigen Dimensionen, dass er die von mir angeblich bedrohten Textilfabriken problemlos über Wasser halten kann.
    Dr. Jessup war barfuß und trug einen Baumwollpyjama, der aussah, als hätte sein Besitzer sich die ganze Nacht ruhelos im Bett gewälzt.
    »Ich wünschte, Sie würden mit mir sprechen«, sagte ich zu ihm. »Das wäre wirklich schön.«
    Statt mir zu gehorchen, nahm der Radiologe die Hände vom Gesicht, drehte sich um und verließ das Schlafzimmer.
    Ich warf einen Blick auf die Wand über dem Bett. Dort hängt eine unter Glas gerahmte Karte aus einem Wahrsageautomaten auf dem Rummelplatz. Sie verspricht: ES IST EUCH BESTIMMT, FÜR IMMER ZUSAMMEN ZU SEIN.
    Jeden Morgen beginne ich meinen Tag damit, diesen Satz zu lesen. Jeden Abend lese ich ihn wieder, manchmal mehr als einmal, vor dem Einschlafen, falls ich überhaupt einschlafen kann.
    Was mich aufrecht hält, ist die Gewissheit, dass das Leben einen Sinn hat. Wie der Tod.
    Ich nahm mein Handy vom Nachttisch. Die erste Kurzwahlnummer verbindet mich mit dem Büro von Wyatt Porter, dem Polizeichef von Pico Mundo. Die zweite ist seine Privatnummer und die dritte die seines Mobiltelefons.
    Wahrscheinlich musste ich mich noch vor der Morgendämmerung mit Chief Porter in Verbindung setzen, auf der einen oder anderen Nummer.

    Als ich im Wohnzimmer das Licht anknipste, stellte ich fest, dass Dr. Jessup dort im Dunkeln gestanden hatte, zwischen den aus Secondhandläden stammenden Schätzen, mit denen die Wohnung möbliert ist.
    Ich ging zur Wohnungstür und zog sie auf, doch Dr. Jessup reagierte nicht. Er hatte zwar bei mir Hilfe gesucht, brachte jedoch offenbar nicht genügend Mut für das auf, was uns erwartete.
    Offenbar gefiel ihm die eklektische Einrichtung, die vom rötlichen Licht einer alten Bronzelampe beschienen wurde: nüchterne Holzsessel, plumpe viktorianische Fußschemel, Drucke von Maxfield Parrish, bunte Glasvasen.
    »Nehmen Sie’s mir nicht übel«, sagte ich, »aber Sie gehören nicht hierher, Sir.«
    Dr. Jessup betrachtete mich schweigend und mit flehentlicher Miene.
    »Dieser Ort ist bis zum Rand mit Vergangenheit angefüllt. Hier ist Raum für Elvis und mich – und für Erinnerungen –, aber nicht für jemand Neuen.«
    Damit trat ich in den Flur und zog die Tür zu.
    Ich lebe in einer von zwei Wohnungen, die man im ersten Stock einer feudalen viktorianischen Villa untergebracht hat. Trotz des Umbaus besitzt der weitläufige Bau noch immer beträchtlichen Charme.
    Jahrelang habe ich in einer Einzimmerwohnung oberhalb einer Garage gelebt. Mein Bett war nur wenige Schritte vom Kühlschrank entfernt. Damals war das Leben einfacher und die Zukunft klar.
    Umgezogen bin ich nicht, weil ich mehr Platz brauchte, sondern weil mein Herz nun hierher gehört, für immer.
    In die Haustür ist ein ovales Bleiglasfenster eingesetzt. Die Nacht dahinter war zu einem Muster verzerrt, das jedermann verstehen konnte.

    Als ich auf die Veranda trat, zeigte sich, dass diese Nacht wie alle anderen war: tief, geheimnisvoll zitternd, vom Potenzial für Chaos erfüllt.
    Während ich die Treppe hinab und über die Steinplatten des Gartenwegs zur Straße ging, blickte ich mich nach Dr. Jessup um, sah ihn jedoch nirgendwo.
    In den höher gelegenen Regionen der Wüste, die sich weit östlich von Pico Mundo erheben, kann der Winter frostig sein, doch hier unten bleiben die Nächte selbst im Februar mild. Die Bäume am Straßenrand, Indischer Lorbeer, seufzten und wisperten im sanften Wind; Motten umschwirrten die Straßenlaternen.
    In den Häusern ringsum war es still, die Fenster waren dunkel. Kein Hund bellte. Keine Eule schrie.
    Auch Fußgänger waren nicht unterwegs, und auf den Straßen herrschte keinerlei Verkehr. Die Stadt sah aus, als hätte das Jüngste Gericht schon stattgefunden, und nur ich wäre noch übrig geblieben, um
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