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Seelenlos

Seelenlos

Titel: Seelenlos
Autoren: D Koontz
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an Krebs gestorben. Nun war auch Dr. Jessup tot, und Danny war allein.
    Ich verließ das Schlafzimmer und eilte leise den Flur entlang auf den hinteren Teil des Hauses zu. Dort befand sich die andere offene Tür, aus der Licht drang. Da ich an zwei geschlossenen Zimmern vorbeikam, machte ich mir sofort Sorgen, weil ich nicht alles durchsuchen konnte.
    Nachdem ich einmal den Fehler begangen hatte, mir die Fernsehnachrichten anzuschauen, habe ich mir eine Weile Sorgen gemacht, ein Asteroid könnte auf die Erde aufprallen und die menschliche Zivilisation auslöschen. Die Moderatorin erklärte, so etwas sei nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich. Am Ende des Berichts lächelte sie.
    Ich quälte mich wegen dieses Asteroiden, bis mir klar wurde, dass ich nichts tun konnte, um ihn aufzuhalten. Ich bin nicht Superman. Ich bin ein Grillkoch, der momentan Urlaub von seinen Töpfen und Pfannen hat.

    Um die Nachrichtenmoderatorin machte ich mir länger Sorgen. Was für eine Persönlichkeit muss man haben, wenn man eine derart erschreckende Nachricht vortragen – und dann lächeln kann?
    Wenn ich je eine weiße Kassettentür öffnen und aufgespießt werden sollte, dann befindet sich der eiserne Spieß – oder was immer es ist – wahrscheinlich in den Händen besagter Moderatorin.
    Ich erreichte die zweite offene Tür, trat ins Licht und überquerte die Schwelle. Kein Opfer, kein Mörder.
    Die Dinge, wegen derer wir uns die größten Sorgen machen, sind praktisch nie diejenigen, die uns wirklich beißen. Die schärfsten Zähne packen immer dann zu, wenn wir woanders hinschauen.
    Dies war das Zimmer von Danny. An der Wand hinter dem zerwühlten Bett hing ein Poster von Joseph Merrick, dem echten Elefantenmenschen.
    Danny hatte Sinn für Humor, was die durch seine Krankheit entstandenen Deformierungen – hauptsächlich der Gliedmaßen – anging. Obwohl er überhaupt nicht wie Merrick aussah, war der Elefantenmensch sein Held.
    Man hat ihn als Monstrosität ausgestellt, hatte Danny mir einmal berichtet. Frauen fielen bei seinem Anblick in Ohnmacht, Kinder weinten, harte Männer zuckten zusammen. Er wurde verachtet und verunglimpft. Ein Jahrhundert später aber hat man einen Film über sein Leben gemacht, und wir kennen seinen Namen. Wer kennt den Namen des miesen Kerls, der ihn besessen und ausgestellt hat, oder die Namen der Leute, die in Ohnmacht gefallen oder zusammengezuckt sind? Die sind vergessen, und er ist unsterblich. Davon mal abgesehen – der Umhang, den er trug, wenn er ausging, war total cool!

    An den anderen Wänden hingen vier Poster der alterslosen Sexgöttin Demi Moore, die zurzeit in einer Reihe von Versace-Spots auftrat und dabei noch verführerischer wirkte als sonst.
    Mit seinen einundzwanzig Jahren war Danny vier Zentimeter kleiner als die ein Meter fünfzig, die er zu haben behauptete. Weil die Knochen nach den vielen Brüchen manchmal abnormal zusammengewachsen waren, war sein Körper krumm und schief. Dennoch erlaubte Danny sich eindeutig kühne Träume.
    Niemand stach mich nieder, als ich wieder in den Flur trat. Ich erwartete zwar nicht, dass jemand mich erstechen würde, aber genau dann passiert so etwas meistens.
    Falls der Wüstenwind noch immer durch die Nacht pfiff, hörte ich ihn innerhalb der dicken Wände der alten Villa nicht. Wie ein Grab kam sie mir mit ihrer Stille und klimatisierten Kühle vor. Ein schwacher Duft von Blut hing in der kalten Luft.
    Nun wagte ich es endgültig nicht mehr, den Anruf bei Chief Porter aufzuschieben. Im oberen Flur stehend, drückte ich auf meinem Handy die Taste Nummer zwei für seinen Privatanschluss.
    Als er beim zweiten Läuten abnahm, hörte er sich wach an.
    Um nicht von einer wahnsinnigen Moderatorin oder Schlimmerem überrascht zu werden, sagte ich mit leiser Stimme: »Tut mir leid, dass ich Sie aufgeweckt hab, Sir.«
    »Hab nicht geschlafen. Ich sitze hier mit Louis L’Amour.«
    »Dem Schriftsteller? Ich dachte, der ist tot, Sir.«
    »In etwa so tot wie Charles Dickens. Sag mir, dass du bloß einsam bist, Junge, und nicht wieder in irgendeinem Schlamassel steckst.«
    »Das hab ich mir nicht ausgesucht, Sir. Aber Sie sollten zum Haus von Dr. Jessup kommen.«
    »Hoffentlich ist es ein einfacher Einbruch.«

    »Mord«, sagte ich. »Wilbur Jessup liegt in seinem Schlafzimmer auf dem Boden. Sieht übel aus.«
    »Wo ist Danny?«
    »Wahrscheinlich gekidnappt.«
    »Simon«, sagte er.
    Simon Makepeace – Carols erster Mann und Dannys Vater – war
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