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Seelenglanz

Seelenglanz

Titel: Seelenglanz
Autoren: Brigitte Melzer
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gleich, wie sehr ich es auch versuchte, ich konnte mich nicht bewegen. Selbst meine Stimmbänder waren gelähmt. Schon wieder.
    Luzifer nahm die Akte an sich und brachte sie zum Tisch. Er wandte uns den Rücken zu, lediglich die Hand, mit der er mich unter Kontrolle hielt, unverändert auf mich gerichtet. Ich sah Shandraziels Grinsen und wusste, dass er die Gelegenheit nutzen würde. Womöglich bot Luzifer sie ihm mit voller Absicht.
    In Shandraziels Hand entstand ein Schwert. Ich versuchte, mich aus Luzifers Bann zu lösen und wenigstens meine eigene Waffe zur Abwehr herumzureißen, doch es wollte mir nicht gelingen.
    »Dieses Mal hab ich dich«, formten Shandraziels Lippen lautlos. Er setzte zu einem Hieb an, dessen bloßer Schwung meinen Rumpf vermutlich in zwei Hälften spalten würde, als Luzifer herumfuhr.
    Ohne meine Lähmung aufzuheben, richtete er die andere Hand auf Shandraziel.
    »Ich mag es nicht, manipuliert zu werden.« Er sprach so ruhig, als ginge es um etwas vollkommen Belangloses, dennoch reichte es aus, um Shandraziel vor Furcht erstarren zu lassen. »Du warst bereit, die Nephilim zu töten, um deinen persönlichen Feldzug gegen Kyriel zu führen. Ja, ich habe eure kleine Unterhaltung mit angehört, und ich muss sagen, sie war ausgesprochen aufschlussreich. Allein für das Bündnis mit dem Obersten Schutzengel sollte ich dich vermutlich befördern.«
    Befördern? Was war aus Ich mag es nicht, manipuliert zu werden geworden? Oder aus der Tatsache, dass er Jules bereitwillig getötet hätte, als es ihm in dem Kram passte, und er sich erst anders entschieden hatte, als ihm bewusst geworden war, dass er mich auf einem anderen Weg härter treffen konnte?
    Luzifer nickte nachdenklich. »Fürwahr, die Beförderung hast du dir verdient.«
    Der Schrecken in Shandraziels Augen wich einem stummen Triumph. Er sah mich mit hochgezogener Augenbraue an, als wollte er sagen: »Jetzt geht’s dir an den Kragen.«
    »Allerdings«, fuhr Luzifer fort, »werde ich dich hier hinausbefördern.«
    Ein winziger Fingerzeig, ein Zucken seines Zeigefingers reichte aus, um seine Macht aufflackern zu lassen. Schlagartig kehrte das Entsetzen in Shandraziels Züge zurück. Der Schrei, der in seiner Kehle aufstieg, gefror augenblicklich unter der eisigen Kälte, die mit einem Mal die Luft erfüllte. Eine dünne Eisschicht breitete sich über den Körper des Seelenfängers aus wie Quecksilber, kroch über seine Haut und hinterließ einen matten, ungesunden Überzug, der ihn mehr und mehr einhüllte. Immer weiter wuchs die Schichtan, Eiszapfen hingen ihm vom Kinn und von der Nasenspitze, das lange schwarze Haar sah unter der kristallenen Oberfläche stumpf und grau aus. Seine Augen waren aufgerissen. Starr vor Entsetzen, ebenso wie der eisige Rest seines Körpers. Die Macht, die Luzifer eingesetzt hatte, war so gewaltig, dass selbst die glühenden Lavawände von einer glitzernden Eisschicht überzogen waren.
    Eine Weile stand Luzifer still da, sein Blick wanderte zwischen mir und Shandraziel hin und her, als wollte er sich selbst über etwas klar werden.
    Dann schnippte er mit den Fingern, und die Eissäule, die einmal Shandraziel gewesen war, zersprang in Tausende Splitter.
    Unzählige messerscharfe Bruchstücke flogen mir um die Ohren, zerschnitten mir das Gesicht, den Oberkörper und die noch immer im Schlag erstarrten Arme, ehe auch diese Splitter zu Boden fielen, wo sie sich unter der erhitzten Luft in unzählige Wasserspritzer verwandelten, die zischend verdampften. Rauch stieg von den Wänden empor und vernebelte die Luft, als sich die Eisschicht unter der Hitze der Lava auflöste.
    Von Shandraziel war nichts mehr geblieben.
    Mich fröstelte. Ob es an der Kälte lag, die mich wie ein Orkan erfasst und durchdrungen hatte, oder an der Macht Luzifers – gepaart mit dem Wissen, der Nächste zu sein, der sie zu spüren bekam –, vermochte ich nicht zu sagen. Letztlich war das auch nicht von Bedeutung.
    Bewegen konnte ich mich jedenfalls immer noch nicht.
    Schweigend richtete Luzifer seinen Blick auf mich. Lange Zeit sah er mich einfach nur an, vermutlich auf der Suche nach einer noch scheußlicheren Art zu sterben, als die, die er Shandraziel hatte angedeihen lassen.
    Unfähig, mich zu bewegen oder zumindest etwas zu sagen,stand ich da und wartete darauf, dass er endlich eine Entscheidung traf.
    Fast schon gemächlich drehte er sich um, nahm die Akte wieder vom Tisch und warf sie mir zu. In dem Augenblick, als sie in meine
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