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Seelenglanz

Seelenglanz

Titel: Seelenglanz
Autoren: Brigitte Melzer
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einiges erwartet, aber nicht, dass Japhael derart offensiv vorgehen würde. Meine Überraschung ließ mich für einen Moment unachtsam werden. Shandraziel setzte zueiner angetäuschten Drehung an, stoppte abrupt mitten in der Bewegung und stieß gerade zu, statt von der Seite auf mich einzudreschen. Ich sprang zurück und konnte eben noch Schlimmeres verhindern. Entgehen konnte ich der Klinge jedoch nicht mehr. Die Spitze bohrte sich in meine Seite. Schmerzhaft. Noch schmerzhafter, als Shandraziel sie sofort wieder aus meinem Fleisch riss.
    »Euer Oberster Schutzengel wollte, dass ich dich töte«, fuhr er ungerührt fort. »Im Gegenzug könne ich mit deiner kleinen Nephilim machen, was ich wolle. Er würde es nicht weiterverfolgen, wenn ihr etwas zustieße.«
    Dieser elende Drecksack! Brüllend vor Zorn stürzte ich vor, stürmte mit einer Abfolge wilder Hiebe auf Shandraziel ein, der jetzt in meiner Fantasie Japhaels Züge trug. Wieder und wieder holte ich aus, bis ich kaum mehr die Kraft fand, meine Arme zu heben. Trotzdem zwang ich mich weiterzumachen. Längst führte ich das Schwert mit beiden Händen, nur noch angetrieben von meiner Wut und dem drängenden Wunsch, den Vertrag zu bekommen, der noch immer in seinem Hosenbund steckte.
    Mein Schwert wurde immer unhandlicher, je weiter meine Kräfte schwanden. Auch Shandraziel hatte mit seiner Kondition zu kämpfen, doch im Gegensatz zu mir hatte er nicht schon einen Kampf hinter sich. Ich sprang in einem letzten verzweifelten Angriff vor. Schlag um Schlag drängte ich Shandraziel zurück, und als er sein Schwert zur Seite zog, um meinen Hieb zu parieren, stoppte ich meinen Schlag und trat ihm stattdessen so hart vor die Brust, dass er gegen die Wand geschleudert wurde. Die Lava zischte, Shandraziel auch. Der Aufprall hätte ihm um ein Haar die Waffe aus der Hand gerissen. Die Sekunde, die er brauchte, um sie wieder zu fassen, nutzte ich. Ich sprang vor und schlug zu. Meine Klinge drang in sein Fleisch, ich spürteden Widerstand, als sie Muskeln und Sehnen durchtrennte, und den Ruck, der durch seinen Körper fuhr, als ich sie wieder zurückriss. Shandraziel taumelte und machte einen Ausfallschritt, um sein Gleichgewicht zurückzuerlangen. Ich verpasste ihm einen weiteren kräftigen Tritt. Dieses Mal in seine Seite.
    Wie ein gefällter Baum ging er zu Boden.
    Ich stellte meinen Fuß auf sein Handgelenk und verstärkte den Druck, bis seine Finger das Schwert freigaben. Dann trat ich die Waffe weg. Scheppernd schlitterte sie zwei Meter über den Stein, ehe sie sich mit einem Zischen in Luft auflöste.
    Shandraziel versuchte auf die Beine zu kommen und hörte erst auf, sich zu bewegen, als ich ihm die Spitze meiner Klinge an die Kehle setzte.
    »Den Vertrag!«, verlangte ich.
    Seine Züge waren zu Stein erstarrt. »Hol ihn dir.«
    »Wie du willst.« Ein weiterer Tritt warf ihn herum, und während er noch versuchte, die Benommenheit abzuschütteln, und seine Finger in dem Versuch, eine neue Waffe zu rufen, zuckten, holte ich zum tödlichen Hieb aus.
    »Das reicht!« Luzifers Stimme hallte donnernd von den Höhlenwänden wider.
    Ich war meinem Ziel so nah, das konnte ich mir jetzt nicht kaputt machen lassen. Wenn es mir gelang, die Akte in die Finger zu bekommen und den Vertrag zu zerreißen, bevor Luzifer mich zerriss, hätte ich gewonnen.
    Ich wusste, dass es sinnlos war, ihn anzugreifen. Dies war sein Reich. Nichts konnte ihm hier etwas anhaben. Bei Shandraziel sah das schon anders aus. Ich holte aus, als Luzifer die Hand hob. Eine Geste, wie man sie auch bei Schülerlotsen sah, wenn sie den Verkehr anhielten, um ihre Schützlinge über die Straße zu lassen. Ich erstarrte mitten inder Bewegung, mein Schwert zum tödlichen Hieb erhoben. Selbst die zuckenden Eislohen, die die Klinge umgaben, waren erstarrt. Alles um mich herum war von der Macht des Morgensterns erfüllt, jedes Stück Stein, jedes Luftmolekül. Alles.
    »Was ist hier los?«, verlangte er zu wissen.
    Er sah die Akte, die noch immer in Shandraziels Hosenbund steckte. »Was ist das?«
    »Der Kontrakt über die Seele der Nephilim.« Shandraziel, den Luzifers Lähmung nicht erfasst hatte, rollte sich zur Seite, aus der Gefahrenzone meiner drohend erhoben Waffe heraus, und stand auf.
    »Gib ihn mir.« Luzifer streckte die Hand aus – die andere, nicht die, mit der er mich lähmte.
    Als Shandraziel nach der Akte griff, wollte ich es verhindern, wollte dazwischengehen und den Vertrag an mich reißen, doch ganz
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