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Sechseckwelt 05 - Dämmerung auf der Sechseck-Welt

Titel: Sechseckwelt 05 - Dämmerung auf der Sechseck-Welt
Autoren: Jack L. Chalker
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mehr aufzuhalten vermochte, und er wuchs weiter. Mit ihm dehnte sich der Riß im Raum-Zeit-Kontinuum aus, schneller, immer schneller. Sie begriff, daß das Weltraumgebiet, aus dem sie kam, in einem relativen Augenblick verschwunden sein würde, und dann mußte sich der Defekt immer weiter ausdehnen.
    Obie hatte recht gehabt, begriff sie. Während Abschnitte, die für andere Teile des Universums zuständig waren, die zunehmende Beanspruchung durch die aufschießende Flut des Nichts zu tragen hatten, fanden Zusammenbrüche immer rascher statt, in einer gefährlichen Progression.
    Der Schacht konnte das Universum vernichten oder heilen, aber nicht sich selbst retten. In diesem Augenblick war fast ein Sechstel der in Betrieb befindlichen Kontrollzentren zerstört, ausgebrannt, nicht mehr wiederherzustellen. Sobald ein Drittel der Kapazität erreicht war, würde der Schacht nicht mehr in der Lage sein, den Ausfall auszugleichen; aber er würde es verzweifelt versuchen, bis es den letzten, nicht mehr gutzumachenden Kurzschluß gab. Der Schacht brauchte Hilfe und brauchte sie rasch, sonst konnte er nicht Bestand haben, nicht überleben. In gewissem Sinn war er selbst ein lebender Organismus, begriff sie, und der Krebs schritt unaufhaltsam gegen sein Herz vor. Der letzte Kurzschluß würde eine schützende Stillegung durch das Hauptprogramm und die Energiequellen auslösen, damit diese sich selbst zu retten vermochten, aber dann würde es zu spät sein, die Fähigkeit der kleineren Anlage instand zu setzen oder auszuwechseln. Im ganzen Universum würde nur die Sechseck-Welt bleiben, für immer und ewig, nur sie und nichts sonst.
    Aber Mavra verstand auch Brazil. Die tiefe Qual, mit der er lebte, ein Gott, für immer von seinesgleichen abgeschnitten, weil er jm ganzen Universum, vielleicht in allen Welten, die es jemals geben konnte, einzigartig war, dazu verurteilt, auf der Erde und zwischen den Sternen zu wandern als einer, der niemals sterben, sich niemals verändern, nie Gesellschaft finden konnte, aber auch ein Mann, der fühlte, daß er eine geheiligte Aufgabe erfüllen mußte.
    Hier konnte er auch diese zahllosen denkenden Wesen fühlen und sehen und kennen, deren ganze Geschichte ausgelöscht werden würde, die, wenn die Reparaturen vorgenommen werden sollten, nicht einmal eine Erinnerung sein würden.
    »Das ist nicht das erstemal, daß das geschieht, nicht wahr?« fragte sie.
    »Nein«, gab er zu. »Dreimal weiß ich es. Kannst du verstehen, wie schrecklich schwer es für mich ist, einfach abzuschalten?«
    »Dreimal…«, wiederholte sie staunend. Dreimal in den Schacht der Seelen, dreimal das Massaker an so vielen, vielen Unschuldigen, die nichts Schlimmeres getan hatten, als zu leben.
    »Und dreimal bist du es gewesen?« fragte sie.
    »Nein«, gab er zurück. »Nur das letztemal. Ich bin auf einer jetzt toten Welt geboren, in einem Volk, das längst tot und jeder Erinnerung entrückt ist, aber diese Welt glich sehr der Alten Erde. Es war eine Theokratengruppe, die für ihre Religion und ihren Glauben lebte und dafür auf die uralte Weise litt, wie solche Wesen durch andere leiden müssen. Ich wuchs darin auf und wurde selbst ein Geistlicher, ein religiöser Lehrer und Fachmann, ein religiöser Führer, könnte man sagen. Ich war unter meinesgleichen sehr berühmt dafür. Ich hatte eine Frau und sieben Kinder, drei Jungen und vier Mädchen – Menschen vom Typ 41, keine ausgefallenen Formen. Nun, in der Nähe entstand eine andere Religion, die Bekehrung durch Gewalt vertrat, und da die Gesellschaft inzwischen hochtechnologisch und fortgeschritten war, wurden wir aufgespürt, als dieser technokratische Glaube unser Land erfaßte, aufgespürt und bekehrt oder getötet. Obwohl ihre Religion eine Abwandlung der unsrigen war, trauten sie uns nicht. Wir waren eine kleine verschworene geheime Gruppe und suchten nicht einmal Anhänger. Wir waren gut geeignet. Wir waren schwach und vergleichsweise wohlhabend, passende Sündenböcke für eine diktatorische Gesellschaft. Eines Nachts, als sie sich ganz sicher fühlten, holten sie mich und meine Familie. Ich war schließlich der Führer. Ich hatte wenige Hinweise, aber es gelang mir, durch einen Zufall – ob günstig oder nicht, magst du entscheiden – in dieser Nacht nicht zu Hause zu sein. Sie holten meine Frau und die Kinder und ließen mir eine Nachricht zukommen: Entweder verriete ich mein Volk und meinen Glauben, oder meine Familie würde ein schlimmeres Schicksal
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