Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
SdG 06 - Der Krieg der Schwestern

SdG 06 - Der Krieg der Schwestern

Titel: SdG 06 - Der Krieg der Schwestern
Autoren: Steven Erikson
Vom Netzwerk:
Trophäen jenes Tages, der nun schon so lange zurücklag, befanden sich im Langhaus seines Großvaters und bedeckten dort die niedrigen Wände. Verkohlte Schädeldecken, zerbrechlich aussehende Kieferknochen. Fetzen von merkwürdigen Kleidern aus irgendeinem unbekannten Material, zerrissen und rauchgeschwärzt. Kleine Ohren, die an jeden Pfosten genagelt waren, der sich zum strohgedeckten Dach hinaufreckte.
    Beweise dafür, dass es den Silbersee wirklich gab, dass er tatsächlich existierte, jenseits der waldbestandenen Berge, unterhalb verborgener Pässe, eine Woche – oder vielleicht auch zwei – von den Landen des Uryd-Clans entfernt. Selbst der Weg dorthin war gefährlich, denn er führte durch Gebiete, die von den Clans der Sunyd und der Rathyd gehalten wurden, eine Reise, die für sich betrachtet schon wert war, zur Legende zu werden. Sich lautlos und ungesehen durch feindliche Lager zu bewegen, Herdsteine zu verrücken, um den Feinden die schlimmste aller Beleidigungen zuzufügen, den Jägern und Spurensuchern Tag und Nacht zu entgehen, bis die Grenzlande erreicht und schließlich durchquert waren – und dahinter dann ein unbekanntes Land und unvorstellbare Reichtümer.
    Karsa Orlong lebte in den Geschichten seines Großvaters, sog sie ein wie die Atemluft. Sie standen wie eine Legion, trotzig und wild, vor dem farblosen, leeren Vermächtnis von Synyg – Pahlks Sohn und Karsas Vater. Synyg, der sein Leben lang nichts getan hatte, als einfach nur in seinem Tal Pferde zu züchten, und der kein einziges Mal in feindliche Lande gezogen war. Synyg, der die größte Schande seines Vaters und auch seines Sohnes war.
    Gewiss, Synyg hatte mehr als einmal seine Pferde gegen Plünderer aus anderen Clans verteidigt, und er hatte sie gut verteidigt, mit rühmlicher Wildheit und bewundernswertem Können. Aber etwas anderes war von denen, in deren Adern das Blut der Uryd floss, auch nicht zu erwarten. Urugal der Gewobene war das Gesicht im Fels, das ihrem Clan zugeordnet war, und Urugal zählte zu den wildesten der sieben Götter. Die anderen Clans hatten allen Grund, die Uryd zu fürchten.
    Zweifellos hatte Synyg auch seinen einzigen Sohn meisterhaft in den Kampftänzen unterrichtet. Karsas Fertigkeiten im Umgang mit der Klinge aus Blutholz waren weit größer, als sein Alter hätte vermuten lassen. Er zählte zu den besten Kriegern des Clans. Während die Uryd den Gebrauch des Bogens verachteten, konnten sie hervorragend mit Speer und Atlatl umgehen, mit der gezackten Wurfscheibe und dem Schwarzen Seil, und Synyg hatte seinem Sohn auch im Umgang mit diesen Waffen zu einer beeindruckenden Geschicklichkeit verholfen.
    Allerdings war diese Art von Ausbildung genau das, was von jedem Vater im Uryd-Clan erwartet wurde. Daher waren all diese Dinge für Karsa kein Grund, stolz auf seinen Vater zu sein. Die Kampftänze waren schließlich nichts anderes als Vorbereitungen. Ruhm war in all dem zu finden, was darauf folgte – in den Kämpfen, den Raubzügen, der bösartigen Fortführung von Fehden.
    Karsa würde nicht tun, was sein Vater getan hatte. Er würde nicht … nichts tun. Nein, er würde auf den Spuren seines Großvaters wandeln. Er würde ihnen viel genauer folgen, als irgendjemand sich vorstellen konnte. Der Ruf des Clans zehrte viel zu sehr von der Vergangenheit allein. Dass die Uryd allen anderen Teblor überlegen waren, hatte sie selbstgefällig gemacht. Pahlk hatte diese Tatsache mehr als einmal vor sich hin gemurmelt, in den Nächten, in denen seine Knochen von alten Wunden schmerzten und die Schmach, dass sein Sohn so war, wie er war, besonders bitter schmeckte.
    Wir werden zu den alten Wegen zurückkehren. Und ich, Karsa Orlong, werde der Anführer sein. Delum Thord begleitet mich. Genau wie Bairoth Gild. Wir alle sind in unserem ersten Jahr der Narben. Wir haben tollkühne Taten vollbracht. Haben Feinde erschlagen. Pferde gestohlen. Die Herdsteine der Kellyd und der Buryd verrückt.
    Und jetzt, an Neumond im Jahr deines Namens, Urugal, werden wir uns zum Silbersee hinabschlängeln. Um die Kinder zu erschlagen, die dort leben.
    Er blieb weiter auf seinen Knien auf der Lichtung hocken, den Kopf vor den Gesichtern im Fels geneigt, und er wusste, dass Urugals Antlitz, hoch oben an der Felswand, den wilden Wunsch widerspiegelte, der sich auf seinen eigenen Zügen abzeichnete; und dass die Gesichter der anderen Götter, die alle ihre eigenen Clans besaßen – außer Siballe, die die Ungefundene war –, voller
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher