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SdG 06 - Der Krieg der Schwestern

SdG 06 - Der Krieg der Schwestern

Titel: SdG 06 - Der Krieg der Schwestern
Autoren: Steven Erikson
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Gift, diese Seuche, die unsere Familie auseinander reißen will? Wird sie sich ausbreiten? Werden wir noch einmal hierher kommen? Wir müssen Acht geben, Brüder. Auf uns selbst. Aufeinander. Nun haben wir von ihm gesprochen. Und nun ist er fort.«
    »Er ist fort.«
    »Er hat niemals existiert.«
    »Er hat niemals existiert.«
    »Dann lasst uns diesen Ort verlassen.«
    »Ja, lasst uns gehen.«
    Trull Sengar lauschte, bis er das Knirschen ihrer Stiefelsohlen auf den Steinen nicht mehr hören, die Erschütterungen ihrer Schritte allmählich nicht mehr spüren konnte. Er war allein, unfähig, sich zu bewegen, und konnte nur den schlammverschmierten Stein unter dem Eisenring sehen.
    Das Meer ließ die Leichen immer wieder raschelnd ans Ufer treiben. Krabben flitzten hin und her. Wasser sickerte weiter durch den Mörtel, flüsterte dem zyklopischen Wall mit der Stimme murmelnder Geister etwas zu, und strömte auf der anderen Seite hinunter.
    In seinem Volk herrschte seit langem die Überzeugung – vielleicht die einzig echte Überzeugung –, dass die Natur nur einen einzigen, ewig währenden Kampf focht. Gegen einen einzigen Feind. Und dass dies zu verstehen bedeutete, die Welt zu verstehen. Jede Welt.
    Die Natur hat nur einen einzigen Feind.
    Und der heißt Ungleichgewicht.
    Die Mauer hielt das Meer zurück.
    Und dieser Satz hat zwei Bedeutungen. Könnt ihr das nicht erkennen, meine Brüder? Zwei Bedeutungen. Die Mauer hält das Meer zurück.
    Für den Augenblick.
    Dies war eine Flut, die man nicht leugnen konnte. Die Sintflut hatte gerade erst begonnen – das war etwas, was seine Brüder nicht verstehen konnten, was sie vielleicht niemals verstehen würden.
    Zu ertrinken war etwas Alltägliches bei seinem Volk. Es fürchtete sich nicht vor dem Ertrinken. Und so würde Trull Sengar ertrinken. Bald.
    Und er vermutete, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis sein ganzes Volk es ihm gleichtäte.
    Sein Bruder hatte das Gleichgewicht zerschmettert.
    Und die Natur wird das nicht hinnehmen.

 
    Buch Eins
     
                                      
     
    Gesichter
    im Fels

 
    Je langsamer ein Fluss ist, desto röter strömt er dahin.
     
      Sprichwort der Nathii

Kapitel Eins
     
    Kinder aus einem dunklen Haus
      wählen schattige Pfade.
     
      Volkstümliches Nathii-Sprichwort
     
    D
    er Hund hatte eine Frau, einen alten Mann und ein Kind angefallen, bevor die Krieger ihn in eine verlassene Darre am Rande des Dorfs trieben. Niemals zuvor hatte das Tier Anlass zu Zweifeln an seiner Loyalität gegeben. Es hatte die Lande der Uryd mit grimmigem Eifer bewacht, eins mit seinen Verwandten in ihren harten, aber gerechten Pflichten. Es hatte keinerlei Wunden am Körper, die hätten eitern und so dem Geist des Wahnsinns Zugang zu seinen Adern erlauben können. Auch war der Hund nicht von der schäumenden Krankheit befallen, seine Stellung in der zum Dorf gehörenden Meute nicht herausgefordert worden. Tatsächlich schien es nichts, überhaupt nichts zu geben, das als Ursache seiner plötzlichen Wandlung in Frage gekommen wäre.
    Die Krieger hefteten das Tier mit ihren Speeren an die gerundete Rückwand der Darre und stachen auf das um sich schnappende, jaulende Biest ein, bis es tot war. Als sie ihre Speere zurückzogen, sahen sie, dass die Schäfte zerbissen und mit Blut und Sabber verschmiert waren; sie sahen Zahnabdrücke im beschädigten Eisen.
    Sie wussten, dass Wahnsinn im Verborgenen bleiben, dass er tief unter der Oberfläche hausen konnte wie ein schleichender Beigeschmack, der Blut in etwas Bitteres verwandelte. Die Schamanen untersuchten die drei Opfer; zwei waren bereits an ihren Wunden gestorben, doch das Kind klammerte sich ans Leben.
    In einer feierlichen Prozession wurde der Junge von seinem Vater zu den Gesichtern im Fels getragen, wurde auf der Lichtung vor den Sieben Göttern der Teblor niedergelegt und dort zurückgelassen.
    Er starb kurze Zeit später. Allein mit seinen Schmerzen, im Angesicht der harten, in die Klippe gemeißelten Gesichter.
    Dieses Schicksal kam nicht überraschend. Schließlich war das Kind zu jung gewesen, um beten zu können.
    All dies war natürlich schon vor Jahrhunderten geschehen.
    Lange bevor die Sieben Götter die Augen öffneten.
     
    Das Jahr Urugals, des Gewobenen
    Im Jahre 1159 von Brands Schlaf
     
    Es waren ruhmreiche Geschichten. Von brennenden Bauernhöfen, von Kindern, die unzählige Meilen hinter den Pferden hergeschleift wurden. Die
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