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SdG 05 - Der Tag des Sehers

SdG 05 - Der Tag des Sehers

Titel: SdG 05 - Der Tag des Sehers
Autoren: Steve Erikson
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»Hör doch!«, sagte er.
    Die beiden Männer standen einen Augenblick völlig reglos da.
    Entferntes Donnergrollen unter ihren Füßen, ein langsam anschwellendes Gebrüll von jenseits der Stadtmauern.
    Buke, der plötzlich kreidebleich war, fluchte und fragte: »Wo ist Stonny? Und versuch mir bloß nicht weiszumachen, du wüsstest es nicht.«
    »Am Hafenstraßentor. Fünf Trupps Graue Schwerter, eine Kompanie Gidrath, vielleicht ein Dutzend Lestari-Wachen – «
    »Dort ist es am lautesten – «
    Grantl runzelte die Stirn. »Sie ist davon ausgegangen, dass es an dem Tor losgehen würde. Das dumme Weib«, brummte er.
    Buke trat ganz dicht an ihn heran und packte ihn am Arm. »Warum, im Namen des Vermummten«, zischte er, »stehst du dann noch hier herum? Der Angriff hat begonnen, und Stonny hat dafür gesorgt, dass sie mitten im dicksten Schlamassel steckt.«
    Grantl schüttelte den Arm ab. »Sing mir was vom Abgrund, alter Mann. Die Frau ist erwachsen, weißt du – ich habe es ihr gesagt – ich habe es euch beiden gesagt! Dieser Krieg geht mich nichts an!«
    »Das wird die Tenescowri nicht daran hindern, dir den Kopf abzuhacken und dich in den Kochtopf zu stecken!«
    Schnaubend stieß Grantl Buke zur Seite, so dass der Weg zur Tür frei war. Er packte den beschwerten Riegel mit der Rechten, riss ihn mit einer schwungvollen Bewegung aus der Nut und ließ ihn zu Boden fallen. Ein schepperndes Geräusch dröhnte durch den Korridor. Grantl zog die Tür auf und duckte sich, um auf die Treppe hinauszutreten.
    Sobald er das Niveau der Straße erreichte und auf die Gasse hinaustrat, verwandelte sich der Lärm des Angriffs in ein donnerndes Getöse. Außer dem gedämpften Klirren von Waffen waren Schreie, gebrüllte Befehle und jenes unbestimmbare, stotternde Rascheln zu hören, das von Tausenden von gerüsteten Leibern verursacht wurde, die in Bewegung waren – vor den Wällen, auf den Brustwehren, beiderseits des Tores … das, wie er wusste, schon bald unter den Stößen der Rammböcke ächzen würde.
    Endlich hatten die Belagerer ihre Klingen gezogen. Das Warten hatte ein Ende.
    Und sie werden nicht halten, diese Mauern. Genauso wenig wie die Tore. Wenn der Abend hereinbricht, wird alles vorbei sein. Er überlegte kurz, ob er sich betrinken sollte, und die vertraute Vorstellung tröstete ihn einen Augenblick.
    Eine Bewegung über ihm ließ ihn aufblicken. Von Westen her sah er ein halbes Hundert Feuerbälle in großem Bogen heranfliegen, die feurige Spuren am Himmel hinterließen. Überall loderten Flammen auf, als die Geschosse sowohl in Sichtweite als auch weiter entfernt unter donnernden Einschlägen auf Straßen und Gebäude herabregneten.
    Er drehte sich um und sah eine zweite Salve, die von Norden herangeflogen kam; eines der Geschosse wurde größer als die anderen. Es wurde immer noch größer – eine lodernde Sonne, die genau auf ihn zukam.
    Mit einem Fluch warf sich Grantl den Treppenschacht hinunter.
    Die teerige Masse schlug auf die Straße, prallte in einem Feuersturm wieder hoch und krachte keine zehn Schritt seitlich des Treppenschachts gegen die geschwungene Mauer der Trutz.
    Der steinerne Kern durchbrach die Mauer, zog die Flammen hinter sich her.
    Trümmerstücke hagelten auf die brennende Straße herab.
    Zerschlagen und halb taub krabbelte Grantl aus dem Treppenschacht. Schreie drangen aus dem Innern der Uldan-Trutz. Aus dem Loch in der Mauer quollen dicke Rauchwolken. Die verdammten Dinger sind die reinsten Mausefallen, wenn’s zu brennen anfängt. Er drehte sich um, als die Tür am Fuß des Treppenschachts knirschend aufschwang. Buke tauchte im Türrahmen auf, zog eine bewusstlose Frau ins Freie.
    »Wie schlimm ist es?«, brüllte Grantl.
    Buke blickte auf. »Bist du immer noch hier? Wir sind in Ordnung. Das Feuer ist fast aus. Verschwinde von hier – lauf und versteck dich irgendwo.«
    »Gute Idee«, knurrte er.
    Rauch verhüllte den Himmel, stieg in schwarzen Säulen aus der ganzen östlichen Hälfte Capustans auf und verwandelte sich in eine Dunstglocke, als der Wind ihn nach Westen trieb. Im Daru-Viertel waren Flammen zu sehen, dort brannten Tempel und Mietskasernen. Da Grantl zu dem Schluss gekommen war, dass er in der Nähe der Mauern vor den brennenden Geschossen am sichersten wäre, marschierte er die Straße in östlicher Richtung entlang. Es ist nur Zufall, dass Stonny auch irgendwo da vorne ist, am Hafenstraßentor. Sie hat ihre Entscheidung getroffen.
    Es ist nicht unser Kampf,
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