Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Scudders Spiel

Scudders Spiel

Titel: Scudders Spiel
Autoren: D.G. Compton
Vom Netzwerk:
Verrat seiner Mutter, wenn Scudder nicht da war, eine strenge, verkniffene Linie um den Mund und um ihr Leben war, und ein Gespräch über andere Dinge.
    Und wenn nicht die Freuden der Natur, was dann? Ein reizvolles Leben? Für die Reichen vielleicht, in ihren weitläufigen Villen, die zwischen den Kiefern über der Felsküste verstreut lagen, aber kaum für die Laznetts. Für die Laznetts gab es Ferry Lane – winterfest gemachte Wohneinheiten, die Quartiere nützlicher Leute wie Gärtner, Hausmeister, Handwerker, Müllfahrer, Hummerfischer, Ingenieure zur Reparatur elektronischer Geräte.
    Der alte Großvater Laznett, Handwerker, im Sommer Schmarotzer und Angeber, im Winter betrunken, immer drauf und dran, in den sonnigen Süden zu übersiedeln, ohne es jemals zu tun, war eines Nachts im Januar, als Pete zehn Jahre alt gewesen war, in eine Schneewehe gefallen und am Morgen, als sie ihn ausgegraben hatten, steif wie ein Brett gewesen. Und Scudder Laznett, Wartung und Reparatur von elektronischen Anlagen, lebte dreißig Jahre nachdem Conrad Huppel die Welt der Zivilisation gerettet hatte, noch immer in der Ferry Lane und arbeitete die Stunden, die andere ihm vorschrieben.
    Und wenn nicht reizvolles Leben, was dann? Kontinuität? Wahrhaftig ein Zustand der Gnade, heutzutage. Aber sicherlich nicht damals, vor zwanzig, dreißig, vierzig Jahren, als Veränderung alles war? Pete zuckte die Achseln und lächelte. Verhielt es sich so, dann war ausgerechnet Scudder Laznett ein Mann gewesen, der seiner Zeit voraus war. Derselbe weite Himmel, dieselben Kombinationen von Dächern und felsigen Ausläufern, derselbe Schnee im Winter und dasselbe staubige Gras im Sommer. Und sogar dieselben Leute … Ein Mann der zweiten Generation, auf der Landzunge zu Hause und grimmig zufrieden. Kontinuität. Wirklich ein Zustand der Gnade. Aber es gab andere Mittel zum gleichen Zweck, sagte sich Pete und trat auf die Bremse, als er zu schnell in eine Kurve ging. Jeder ist seines Glückes Schmied. Es kam darauf an, zu wissen, was man wollte, und dabei zu bleiben.
    So hielt er es. Er erreichte seine eigene Kontinuität. Das war möglich. Fünf Jahre am städtischen College, drei Jahre Handelspraktikum bei der Zentralen Industrieverwaltung und seitdem erfolgreich auf der Stufenleiter der Geschäftsspiele. Alles im gleichen überschaubaren Rahmen von einigen Quadratkilometern. Kontinuität.
    Und nun war Scudder Laznett, der kein Recht dazu hatte, krank, lag vielleicht im Sterben.
    Aber Pete fuhr weiter. Kehrte nicht um. Fuhr weiter.
    Nach der scharfen Biegung führte die Straße in gerader Linie einen langen Damm entlang. Zu beiden Seiten erstreckten sich Salzsümpfe. Unregelmäßige Tümpel mit brackigem Wasser lagen zwischen weiten Flächen von Bastard-Schilfrohr, so weit das Auge reichte. Seine Farbe veränderte sich mit der Entfernung von herbem Grün zu Blau und Grau, das am Horizont an einen stumpf silbrigen Streifen stieß, wahrscheinlich der Ozean. Dies mußte schon die zweite Schilfrohrernte in diesem Jahr sein. Ungefähr ein Monat fehlte noch zur Erntereife. Wahrscheinlich hofften die Leute, daß die Nachtfröste noch so lange auf sich warten lassen würden. Irgendwo landeinwärts mußte es eine automatisierte Fabrik geben, die aus dem Schilfrohr proteinreiches Kraftfutter herstellte und die Rückstände zu Preßbriketts verarbeitete.
    Im Norden und Süden markierten ferne dunkle Waldstreifen die Grenzen des Sumpfgebietes, über dem die Luft in der Hitze flimmerte. Reiher wateten in den Brackwasserteichen. Und der Himmel war riesig, wolkenlos, erschreckend in seiner nicht zu vermarktenden Unermeßlichkeit.
    Als Pete zum Ende des Salzsumpfes kam, sah er den gewundenen Lauf eines Gezeitenstromes, der in einer seeartigen Erweiterung zwischen schlammigen Ufern endete. Zwei weiße Boote mit blaugestrichenen Schandeckeln lagen festgemacht ein gutes Stück von einem gebleichten hölzernen Anlegesteg an ihren Ankerbojen. Und zwischen den Bäumen am Ufer stand ein niedriger Schuppen mit einem Blechdach. Seine Wände waren weiß und blau gestrichen, daß es zu den Booten paßte, und davor lagen aufeinander gestapelte Hummerkörbe und Haufen von orangefarbenen Fischernetzen. Abseits eine Wäscheleine, Hemden und Hosen, steif wie Bretter. Rotgewürfelte Hemden und verblaßte blaue Drillichhosen. Auf der Zufahrt, die sich durch den Baumbestand zur Landstraße schlängelte, stand ein kleiner Lastwagen mit altersschwach durchsackender Federung, die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher