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Scudders Spiel

Scudders Spiel

Titel: Scudders Spiel
Autoren: D.G. Compton
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Junge?«
    Weil es ihm gefiel. Weil er sie mochte. Wirklich.
    Endlich erreichte er den Umzug und überholte ihn. Als er gleichauf mit der Blaskapelle war, drückte er auf die Hupe und riskierte einen ungewissen Fanfarenton, der jedoch in den holperigen Umptatas unterging. Dann beschleunigte er und war bald wieder auf dem Land. Die ansteigende Straße erklomm die bewaldete Böschung eines niedrigen Hügels, aber die Stadt, ihre Gerüche und ihre unschuldige Geschäftigkeit blieben gegenwärtig, ließen ihn nicht los. Er seufzte. Jeder ist seines Glückes Schmied … Dann sah er unter sich zu seiner Rechten, abgeschirmt von einer dünnen Baumkulisse, das automatisierte Industriegebiet der Stadt. Ein erfreulicher Anblick: also war selbst diese christliche Gemeinde mit ihren weiß gestrichenen Holzhäusern ein praktischer, sozioökonomischer Organismus, selbstgenügsam wie andere Gemeinden. Ganz unabhängig von den wenigen hochbezahlten Sachverständigen und Spezialisten, die ihre Gutachten und Beratungen durch Video unter die Leute brachten, betrieb diese Gemeinde ihre eigene automatisierte Industrie und verdiente sich damit den Unterhalt. Er fühlte sich besser. Die Welt, seine Welt, ergab wieder einen Sinn.
    Der Verkehr, bereits stark zurückgegangen, seit Pete von der Hauptstraße abgebogen war, dünnte in dem Maße aus, wie er sich über schmale Nebenstraßen verwandtenwärts verteilte. Pete fuhr ruhig und gelöst, ließ sich das Haar vom Sommerwind zausen. Sogar die Landzunge, wo seine Eltern lebten, war selbstgenügsam und verdiente den eigenen Unterhalt, wenn auch nur um Haaresbreite. Hummerfang, etwas Landwirtschaft, der Heimatklub für Touristen, einheimisches Dienstleistungspersonal wie sein Vater. Vielleicht war man in mancher Weise abhängiger, als es wünschenswert gewesen wäre, aber man kam zurecht.
    Sein Vater, Scudder Laznett, hatte einen Reparatur- und Wartungsdienst für Datenanschlüsse, Ausdruckstationen und Bildschirmgeräte. Er hatte sein Handwerk bei der Armee gelernt und betrieb es seit vierzig Jahren. Das Wunder dabei war, daß es ihm gelungen war, mit den Entwicklungen Schritt zu halten: die Elektronik hatte seit den neunziger Jahren einen weiten Weg zurückgelegt. Aber Scudder war ein hartnäckiger alter Teufel. Und er hatte immer behauptet, daß ein Mann mit einem klaren Verstand hinter alles kommen könne, was andere Leute entwickeln und bauen konnten. Das galt natürlich nicht für Computerentwicklungen. Niemand unternahm auch nur den Versuch, ihnen auf die Spur zu kommen, also befand Scudder sich in guter Gesellschaft. Und in den Ersatzteilverzeichnissen fand er sich besser zurecht als die meisten.
    Scudder Laznett – im Jahre 1971 auf der Landzunge geboren, als der Ort noch hauptsächlich aus vornehmen Sommerhäusern und Landsitzen bestanden hatte. Und dort war er auch aufgewachsen. Und hatte, abgesehen von fünf heimwehkranken Jahren beim Militär, sein ganzes Leben dort verbracht. Obwohl er es niemals so ausgedrückt haben würde, kam das Leben auf der Landzunge in seinen Augen dem Zustand göttlicher Gnade näher, als irgendein Sterblicher erwarten durfte.
    Für den heranwachsenden Pete von vierzehn, fünfzehn, sechzehn Jahren war das Leben auf der Landzunge die Hölle gewesen.
    Er fühlte eine Spannung in den Fingern, die das Lenkrad hielten, und lockerte seinen Griff. Die Leute waren eben verschieden. Manchen Jungen hätte es vielleicht gefallen, aber nicht ihm. Was hatte der Ort zu bieten, um Gottes willen. Langweilige Bäume, langweilige Felsen und einen langweiligen, drei Kilometer langen Strand. Sand, nichts als Sand. Und dahinter Dünen. Mehr Sand … Es war nicht einmal so, daß sein mit den Schaltkreisen verheirateter Vater ein Kenner der Natur und ein Vermittler interessanten Wissens und abenteuerlicher Überlieferungen gewesen wäre. Ein Zustand göttlicher Gnade vielleicht, aber Gott allein wußte, warum. Mitgeschleppt zu diesen endlosen Spaziergängen, immer das gleiche, den langweiligen Strand entlang und wieder zurück. Stillschweigend, und mannhafte Fürze, und dann, noch in sicherer Entfernung vom Haus, der unvermeidliche Stimmenfang.
    »Nicht, daß deine Mutter es nicht gut meint, versteh mich recht, Junge. Aber du bist kein Kind mehr, du siehst selber, wie die Dinge liegen.«
    Sicherlich sah er selber, wie die Dinge lagen. Aber seinem Vater gegenüber hätte er ein solch betrügerisches Einvernehmen niemals zugegeben.
    Während der einzige – und vorzuziehende –
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