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Scriptum

Scriptum

Titel: Scriptum
Autoren: Raymond Khoury
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Körper gelegen. Dann ließ er den Blick wandern und folgte der Spur von Blutspritzern die Treppe hinunter bis zu der basketballgroßen
     Markierung, die den Fundort des Kopfes bezeichnete.
    Nick Aparo kam herüber und warf einen Blick über die Schulter seines Kollegen. Er war zehn Jahre älter als Reilly, der achtunddreißig
     war, hatte ein rundes Gesicht und eine Halbglatze, war mittelgroß und von mittlerer Statur, ein richtiger Durchschnittstyp.
     Man konnte ganz vergessen, wie er aussah, noch während man mit ihm redete. Für einen Kriminalbeamten ein nützliches Plus,
     das er sich in den Jahren, die Reilly ihn jetzt schon kannte, äußerst erfolgreich zunutze gemacht hatte. Wie Reilly trug er
     über seinem schwarzen Anzug eine locker sitzende dunkelblaue Windjacke, auf der hinten die großen weißen Buchstaben FBI prangten.
     Angewidert verzog er den Mund.
    «Schätze, das dürfte dem Leichenbeschauer keine allzu großen Rätsel aufgeben», bemerkte er.
    Reilly nickte. Er vermochte nicht den Blick von der Markierungloszureißen, wo der Kopf gelegen hatte. Die Blutlache daneben hatte sich inzwischen schwärzlich verfärbt. Wie kam es, dass
     erschossen oder erstochen zu werden einem nicht ganz so schlimm vorkam, wie geköpft zu werden? In einigen Gegenden der Welt,
     fiel ihm ein, war die Todesstrafe durch Enthauptung noch gängige Praxis. Genau in den Gegenden, die viele der Terroristen
     hervorgebracht hatten, die das Land mit ihren finsteren Absichten im Würgegriff permanent erhöhter Alarmbereitschaft hielten;
     Terroristen, deren Verfolgung ihn tagtäglich und oft sogar nachts in Atem hielt.
    Er wandte sich zu Aparo um. «Was gibt’s Neues von der Frau des Bürgermeisters?» Sie war mitten im Park, zusammen mit den Pferden,
     kurzerhand sich selbst überlassen worden.
    «Sie ist mit dem Schrecken davongekommen», antwortete Aparo. «Ihr Ego dürfte mehr Schrammen abgekriegt haben als ihr Allerwertester.»
    «Wie gut, dass bald Wahlen stattfinden. Wäre doch ein Jammer, wenn die Dame das für nichts und wieder nichts durchgemacht
     hätte.» Reilly sah sich um. Es fiel ihm noch immer schwer zu glauben, was sich genau hier, an diesem Ort, Grässliches ereignet
     hatte. «Noch nichts von den Kontrollpunkten?»
    In einem Radius von zehn Straßenblocks sowie an allen Brücken und Tunneln, die aus Manhattan hinausführten, waren Straßensperren
     errichtet worden.
    «Nein. Die Kerle wussten, was sie taten. Die haben bestimmt nicht auf ein Taxi gewartet.»
    Reilly nickte. Profis. Gut organisiert.
    Na toll.
    Als könnten Amateure heutzutage nicht genauso viel Schaden anrichten. Es genügten schon ein paar Flugstunden oder ein Lastwagen
     voller Kunstdünger, zusammen mit einer selbstmörderischen, krankhaften Gemütsverfassung – und daran herrschte wahrlich kein
     Mangel.
    Ruhig ließ er den Schauplatz des Verbrechens auf sich wirken. Er spürte, wie tiefe Frustration und Wut in ihm aufstiegen.
     Die Wahllosigkeit dieser tödlichen Wahnsinnsakte, deren perfide Eigenart es war, jeden und alle völlig unvorbereitet zu treffen,
     machte ihn immer wieder aufs Neue sprachlos. Aber irgendetwas an diesem speziellen Tatort wirkte merkwürdig und deplatziert.
     Er empfand eine merkwürdige Distanz. Der Vorfall hier schien zu abwegig, zu abstrus, nach all den schrecklichen Katastrophenszenarien,
     die er und seine Kollegen in den letzten Jahren durchgespielt hatten. Er wurde das Gefühl nicht los, durch eine absurde Nebenhandlung
     vom Hauptgeschehen abgelenkt zu werden. Und doch ertappte er sich dabei, dass er insgeheim sogar dankbar war für diese Ablenkung.
    Als leitender Special Agent, dem die lokale Einheit des FBI für den Bereich Terrorismus unterstand, hatte er noch während
     des Anrufs vermutet, dass der Raubüberfall in seine Zuständigkeit fallen würde. Nicht, dass ihn die Aufgabe schreckte, die
     Arbeit Dutzender von Agenten und Polizeibeamten zu koordinieren, wie auch die der Spurensicherer, Labortechniker, Psychologen,
     Fotografen und zahlloser anderer. Genau diese Art Arbeit hatte er sich immer gewünscht.
    Er hatte immer schon gespürt, dass er die Dinge zum Besseren ändern könnte.
    Nein. Er hatte immer
gewusst
, dass er die Dinge zum Besseren ändern
würde
.
     
    Das Gefühl hatte sich während seines Jurastudiums an der Notre-Dame-Universität herauskristallisiert. Reilly hatte den Eindruck,
     dass vieles auf der Welt nicht zum Besten stand – ein schmerzlicher Beleg dafür war der Tod seines
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