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Science Fiction Almanach 1982

Science Fiction Almanach 1982

Titel: Science Fiction Almanach 1982
Autoren: H. J. Alpers
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in gleichem Rhythmus lebt und altert – bis zu einem gewissen Augenblick, wo das eintritt, was wir vorhin im Bilde ausdrückten:
    „Das Rad läuft nicht weiter, es dreht sich nur auf derselben Stelle!“
     
    Vor einiger Zeit lief durch die Tagesblätter der Reichshauptstadt folgende Notiz:
    „Ein großer Menschenauflauf bildete sich gestern nachmittag in der Gegend des Oranienburger Tores. Durch die Chausseestraße kam eine seltsam gekleidete Person, ein hochgewachsener Mann, vielleicht 30-40 Jahre alt. Das Auffälligste an ihm war seine Tracht: er erschien wie ein Zeitgenosse Friedrichs des Großen und sah aus, als ob er soeben aus einem Kupferstich des berühmten Chodowiecki herausgestiegen sei. Auch der Zopf fehlte nicht. – Ein hinzukommender Schutzmann brachte den wunderlichen Spaziergänger zum nächsten Polizeirevier. Wahrscheinlich handelte es sich um einen verspäteten Karnevalsulk oder um einen harmlosen Narren, dem es ein besonderes Vergnügen macht, in der Tracht unserer Urgroßväter umherzustolzieren.“ –
    Acht Tage später berichtete dieselbe Zeitung:
    „Der Sonderling, von dem wir in voriger Woche berichteten, daß er in der Tracht von 1760 am Oranienburger Tor aufgegriffen worden sei, beschäftigt unsere Behörden noch immer. Der Unbekannte war im Besitze einer größeren Geldsumme – aber sämtliche Geldmünzen stammten aus fridericianischer Zeit! Eine bei ihm gefundene Zeitung war eine Nummer der „Vossischen Zeitung“ vom September 1770. Die rätselhafte Person behauptet, ein Preuße und geborener Berliner zu sein, und nennt als seinen Geburtstag den 5. März 1735. Wenn man es nicht mit einem Abenteurer zu tun hat, der in dieser historischen Maske irgendwelche eigennützigen Zwecke verfolgt, so liegt hier vielleicht ein seltener psychopathischer Fall vor, der voraussichtlich noch unsere medizinischen Autoritäten beschäftigen wird. Der rätselhafte Hundertsiebzigjährige sieht aus wie Mitte der Dreißig und macht den Eindruck eines hochgebildeten Mannes.
    Interessant ist für den Fall einer psychischen Abnormität die Erscheinung, daß sein Gedächtnis völlig den Zusammenhang mit der Gegenwart verloren zu haben scheint; alle seine Erinnerungen gehen nicht weiter als bis zum Jahre 1770. Vom Frieden zu Hubertusburg, von dem Einzug der heimkehrenden Grenadiere des Alten Fritz erzählt er mit der Ausführlichkeit und Anschaulichkeit eines Augenzeugen. – Wir werden auf dieses zeitgeschichtliche Rätsel’ noch zurückkommen.“ –
    Dieselbe Zeitung – vierzehn Tage später:
    „Nach Aussage der medizinischen Sachverständigen handelt es sich bei dem ‚in Gedanken stehengebliebenen Zeitgenossen Friedrichs des Großen’, wie ihn kürzlich eins unserer Witzblätter getauft hat, um eine äußerst seltene Form einer Monomanie. Die Psychiater erklären den rätselhaften Fall so, daß sie annehmen, der geistreiche Sonderling habe bei seiner ausgeprägten Vorliebe für geschichtliche Studien, namentlich für die fridericianische Epoche, durch eine bestimmte Art geistigen Defekts den Zusammenhang mit unserer Gegenwart verloren, und seine ‚Erinnerungen’ aus dem vorigen Jahrhundert seien subjektive Phantasien, die er nach außen projiziere. Diese Monomanie geht bei ihm bis zu kleinen Äußerlichkeiten: seine Redewendungen haben häufig altertümliche Färbung; sogar seine Schriftzüge zeigen ganz den Duktus, wie wir ihn an Manuskripten aus jener Zeit vorfinden. – Wie schon erwähnt, sind ihm die Eindrücke der Gegenwart völlig entschwunden. Auf einem Plan von Berlin aus unsern Tagen findet er sich nicht mehr zurecht; dagegen sind ihm die alten Kupferstichkarten unserer Hauptstadt von 1750-70 verständlich. Er erscheint als ein friedlicher, harmloser Mensch. Er nennt sich Adam Perennius. – Wir werden die Aufmerksamkeit unserer Leser wohl noch öfter auf dieses Menschenrätsel zu lenken Gelegenheit haben.“
    Drei Tage später folgte noch die kurze Notiz in der Morgenausgabe: „Der rätselhafte Urberliner, der unsere wissenschaftlichen Kreise seit einiger Zeit beschäftigte – Adam Perennius – ist seit gestern abend aus der Charité, wo man ihn bisher verpflegt und beobachtet hat, verschwunden.“
    Am Spätnachmittage dieses Tages befand ich mich im Tegeler Park, den ich oft und gern besuche …
    Und hier, an einem meiner Lieblingsplätzchen, traf ich den rätselhaften Fremden.
    Schon beim ersten Blick glaubte ich, daß er es sei. Verschiedene illustrierte Blätter hatten ja sein
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