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Schwindel

Titel: Schwindel
Autoren: Kristina Dunker
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Munkelbachquelle.

32
    Die Ersten, die eintrafen, waren Julian und Dustin mit dem Motorrad.
    Sie erfassten die Situation sofort. Dustin schnappte sich Mirko, Julian holte mich aus dem Jeep, umarmte mich heftig und fragte
     bestimmt zehnmal, ob ich auch wirklich in Ordnung sei.
    »Ja«, stammelte ich und berichtete in wenigen Sätzen, was geschehen war.
    Julians und Dustins Reaktion auf meine Worte erfolgte prompt. Beide fingen an, schimpfend und fluchend auf Mirko einzuprügeln.
     Obwohl ich eine Wahnsinnswut auf den Jungen hatte, der mir beinahe wirklich etwas angetanhätte, konnte ich nicht anders, als zu versuchen, sie von Mirko wegzuziehen. »Hört auf!«
    »Ruf lieber die Polizei, Eva«, sagte Julian. »Bis die kommen, hat er ein Geständnis abgelegt.«
    »Hier funktionieren keine Handys!«
    Diese Information machte meine Retter noch aggressiver. »Das hast du dir wieder fein ausgedacht, Schleicher«, rief Dustin.
     »Ich hab dich ja für ’nen miesen Intriganten gehalten, aber dass du so abgezockt bist, hätt ich nicht gedacht.«
    »Pass gut auf ihn und meine Freundin auf, Dustin.« Julian stieg auf die Enduro. »Ich fahr, bis ich ein Netz hab, dann komme
     ich wieder.«
    Er sauste davon und für einen Moment befürchtete ich, dass Mirko, da er es jetzt nur noch mit einem Gegner zu tun hatte, einen
     Fluchtversuch machen würde. Doch er blieb wie an meinem ersten Abend in Munkelbach regungslos auf dem Boden liegen und wehrte
     sich nicht.
    »Siehst du, Eva«, sagte Dustin zu mir. »Du wolltest ja nicht glauben, dass der Schleicher gefährlich ist.«
    »Ich wollte mir meine eigene Meinung bilden.«
    Er schnaubte verächtlich. »Gute Sache so an sich. Aber dafür das eigene Leben riskieren?«
    Ich sah zu Mirko und dieser hob für einen Moment den Kopf, sodass sich unsere Blicke trafen.
    »Schon«, antwortete ich langsam und versuchte die Worte mit Bedacht zu wählen: »Es hat sich gelohnt, trotz allem. Ich bin
     auf diese Weise wenigstens nicht jemand gewesen, der ihn vorverurteilt hat. Denn das hat ja indirekt dazu beigetragen, dass
     er so geworden ist.Obwohl   …« Ich spürte, wie plötzlich auch in mir der Wunsch aufkam, Mirko einen Fußtritt zu verpassen. »Obwohl das Verhalten der anderen
     keine Entschuldigung für das ist, was du getan hast, Mirko! Du hättest genau wie ich jede Möglichkeit gehabt, dich anders
     zu entscheiden. Stattdessen hast du dich in deinem Selbstmitleid verkapselt und bist ein Schleicher geblieben.«
    Die letzten Worte hatte ich mehr gespuckt als gesprochen. Jetzt stand ich da, hörte meine Atemzüge und spürte das Blut hinter
     meinen Schläfen pochen, ich lebte und ich liebte mich und ich war immer noch ich und ich fuhr Mirko an: »Damit eins für alle
     Mal klar ist: Du und ich, wir haben nichts gemeinsam! Nichts!«
    Mirko kniff die Augen zu und drehte den Kopf weg. Dustin wirkte erstaunt. »Eva«, rief er, als ich hinter das Auto lief, um
     dort die Tränen der Erleichterung einfach strömen zu lassen.
    Minuten später kehrte Julian zurück, dann fuhren zwei Streifenwagen auf den Parkplatz, und mit ihnen Laura und Mickey.
     
    Als ich endlich die letzten Fragen der Polizisten beantwortet hatte und gemeinsam mit Julian die Wache verließ, wollten wir
     beide nicht in die Mühle zurückkehren. Zum Glück war man im Hotel direkt gegenüber der Polizei noch wach und vermietete uns
     ein Zimmer. Doch auch das war nicht die Lösung. Zwar war ich nicht in Vollmers Mühle, doch in meinen Gedanken waren Mirko,
     Bernd und vor allem Alina so präsent, dass ich kein Auge zutun konnte, ohne einen von ihnen vor mir zu sehen.
     
    Bei unserem Aufbruch am nächsten Morgen wartete vor dem Hotel die Clique auf mich, um sich von mir zu verabschieden. Ich vermutete,
     dass es Chris’ Idee gewesen war, aber ich gab allen die Hand und sagte Julian anschließend sehr deutlich, dass ich nun zum
     Zug gebracht werden wollte.
    »Kann ich gut verstehen, dass du endlich hier wegwillst.« Chris drückte mich kurz an sich und gab mir einen Zettel mit seiner
     Adresse und Telefonnummer. »Solltest du doch eines Tages wiederkommen oder einfach mal anrufen wollen, würde ich mich freuen.«
    »Mal sehen«, antwortete ich. Gern hätte ich ihm etwas Nettes gesagt, er war mir sympathisch, aber ich wusste beim besten Willen
     nicht, ob ich mich deshalb bei ihm melden wollte.
    Auch bei Julian wusste ich es nicht.
    Kurze Zeit später standen wir auf dem Bahnsteig, auf dem ich vor vier Tagen angekommen war,
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