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Schwindel

Titel: Schwindel
Autoren: Kristina Dunker
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hatte
     ihn mir ausgedacht, es war mein Fantasiewort.
    Plötzlich zitterten meine Finger so, dass mir das Handy in den Schoß fiel.
    Mirko entging das nicht. Rasch sagte er: »Ach, ich weiß, wo ich den Begriff gehört habe: Gerade in der Disco, im Brief, den
     der DJ vorgelesen hat, da kam das Wort drin vor. Es hat mir gefallen.«
    Ich brachte keinen Ton heraus.
    »Oh, das war jetzt wieder total blöd von mir, was?« Mirko bog in einen Feldweg ein, stoppte, machte den Motor aus, ließ aber,
     als wolle er gleich weiterfahren, die Zündung an und beugte sich schnell zu mir herüber. »Tut mir leid, wenn ich dich daran
     erinnert habe! Da wünsche ich mir sehnlichst jemanden, der auf mich achtgibt, und kaum glaube ich, dass ich die Person gefunden
     habe, baue ich sofort Mist!«
    Aber genau das hatte
ich
mir sehnlichst
vom Fuchs
gewünscht: dass er auf mich achtgibt! Gesagt hatte er nichts dazu, nur mit den Lippen ein kurzes Ja – irgendetwas zwischen
     »ja, das weiß ich« und »ja, das tue ich«– angedeutet und mit einem Schmunzeln die Augen geschlossen.Über eine ganze Seite lang hatte ich versucht, dieses fuchsspezifische mimische Zeichen zu entschlüsseln – in meinem Tagebuch.
    Mirko musste es gelesen haben!
    Meine Hand umklammerte das Handy.
    Bernd Vollmer, mein Hauptverdächtiger, hatte einen tiefen, langen Kratzer am Arm gehabt, das schon. Und vielleicht hatte er
     auch ein Motiv, Alina zu töten. Es konnte ja sein, dass sie ihre heimliche Affäre öffentlich machen wollte, oder er war eifersüchtig
     oder   …
    Aber es passte nicht. Alina war in Vollmer verliebt, hatte Pläne für eine gemeinsame Zukunft geschmiedet. Kurz zuvor hatten
     sie noch herzlich miteinander gelacht. Außerdem: Wäre ein Mann wie er jemals in eine Disco gegangen, um da einem DJ mein Tagebuch
     in die Hand zu drücken? Das passte doch eher zu seinem Sohn.
    Meine Unterlippe blutete.
    »Alles klar?«, fragte Mirko sanft und streichelte meine Hand.
    Mohrle war gestern instinktiv weggesprungen und hatte ihm eins mit der Pfote gegeben, als er sie packen und ins Haus holen
     wollte. Ich aber hatte keine Krallen. Ich hatte nicht mal Pfefferspray dabei.
    »Alles klar«, log ich und wunderte mich, wie selbstverständlich sich meine Zunge bewegte. Mein Körper hatte auf Autopilot
     geschaltet.
    »Wegen deines Tagebuchs   … bitte, erschrick nicht: Ich kenne den Inhalt. Ich war heute heimlich im Arbeitszimmer meines Vaters und hab rumgeschnüffelt.
     Da hab ich Alinas Brief gefunden und eben dein Tagebuch. Ich hab aber praktisch nichts gelesen, ehrlich.«
    Musste ich denn ausgerechnet jetzt heulen?!
    Mirko umklammerte meine Hand. »Es tut mir leid!«
    Es lag kein Wagenheber herum, den ich ihm hätte über den Kopf ziehen können.
    »Eva, verzeihst du mir das? Ich meine, ich habe ja nichts gemacht! Ich wusste erst gar nicht, was ich da vor mir liegen hab.
     Ich wollte das auch nicht lesen, ich habe nur angefangen und dann   … dann hab ich gespürt, dass   …«, er schniefte, rieb sich die Augen, »du mir ganz nah bist. Du bist nämlich genau wie ich, du bist auch jemand, den die
     anderen nicht wirklich kennen, den sie ausstoßen. Ich habe geflennt, so nah ist mir das gegangen. Du hast mir so leidgetan
     und ich hätte dich am liebsten sofort in den Arm genommen.«
    Ich dachte an die Passage aus meinem Tagebuch, die in der Disco zitiert worden war:
Niemand mag mich, niemand kennt mich, niemand will mir glauben.
Sinngemäß war es, als habe Mirko seine eigenen Worte mit meinen vorwegnehmen wollen.
    »Darf ich dich in den Arm nehmen, Eva? Bitte!«
    Ich nickte steif und verkrampfte alle meine Muskeln. Mirko schmiegte sich an mich, schien kaum zu merken, dass ich dasaß wie
     ein Felsklotz. Auch wenn ich ihn de facto noch keiner einzigen Lüge überführt hatte, vertraute ich jetzt meiner inneren Stimme.
     Auf die hätte ich von vornherein hören und mich nicht dauernd vom Gerede der anderen und meinem fehlenden Selbstvertrauen
     verunsichern lassen sollen. Vorbei. Jetzt gab
ich
auf mich acht.
    Über Mirkos Schulter hinweg sondierte ich die Lage. Wieder war ich nachts in einem menschenleeren Waldgebiet,in dem keine Hilfe von außen zu erwarten war. Mirko hatte auf einem einsamen Parkplatz für Wanderer gehalten. Genau in meinem
     Blickfeld, angeleuchtet vom Scheinwerferlicht, befand sich, als wäre ich zum Ursprung allen Übels gelangt, die
Munkelbachquelle
.
Kein Trinkwasser
, war auf einem Holzschild über einem Wasserhahn zu
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