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Schwindel

Titel: Schwindel
Autoren: Kristina Dunker
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nicht
er mir
helfen wollen? Oder waren wir beide hilfsbedürftig, einer auf den anderen angewiesen?
    »Wenn ich kann   …«, flüsterte ich, erschlagen von der Tragweite dieser Neuigkeit. Bernd Vollmer war damit ein Hauptverdächtiger im Mordfall
     Alina. Selbst in Bezug auf mein Tagebuch war er ein heißer Kandidat: Vielleicht hatte er es direkt neben seinem zusammengeschlagenen
     Sohn gefunden. Wenn er mich nun mit den Veröffentlichungen vertreiben wollte, damit ich mit meinem Gerede über die Festfotos
     nicht zu viel Staub aufwirbelte? Seinen Sohn hatte er wahrscheinlich auch unter Druck gesetzt zu behaupten, er habe die Fotos
     nicht auf seinem Computer gespeichert und das Handy verloren. Ich wunderte mich, dass er es ihm nicht gleich weggenommen hatte.
     Wie auch immer: Nun wandte sich dieser Sohn jedenfalls an mich, gab von sich aus weiter, was er wusste.
    Ein seltenes Gefühl der Selbstbestätigung machte sich in mir breit. Mirko traute mir, und zwar nur mir. Weil ich im Gegensatz
     zu allen anderen offen auf ihn zugegangen war, weil er in mir eine ehrliche, zuverlässige, intelligente Freundin sah.
    »Lass uns einfach miteinander reden, ja?« Mirko sah mich flehentlich an, wischte sich unbeholfen Tränen von den Backen.
    »Okay.«
    »Danke, Eva, danke.« Im nächsten Moment ließ er den Motor an und gab Gas. Offensichtlich hatte er es eilig, vom
Tropic
wegzukommen, denn er fuhr, ohne abzubremsen und nach rechts und links zu gucken, auf die Landstraße. »Mit meinem Vater und
     Alina lief das schon ein paar Wochen. Die konnten stundenlang über Kunst und Ausstellungen reden, wollten die Mühle zu einem
     Atelier umbauen. Ich habe immer gesagt, dass er sich kindisch verhält, dass das nicht gut geht, dass Alina ihn nur ausnutzt
     und   …«
    Ich unterbrach ihn: »Fahr nicht so schnell! Mir wird schlecht. Und du löst das Problem nicht, indem du so rast.«
    »Tu ich doch gar nicht! Ich fahr ganz normal! Aber ich bin aufgeregt. Jetzt sag mal, was du davon hältst. Die brauchte meinen
     Vater doch nur für ihr Abi und ihre bekloppte Kunst und er   … was meinst du, was er wollte? Die sind immer zum Vögeln an die Burgruine gefahren! Kannst du dir das vorstellen? Die waren
     schlimmer als dein Julian und Esra. Los, sag, was du denkst! Die ist genauso alt wie ich, die könnte meine Schwester sein.«
     Mirko heulte lauter und hektischer. »An mich hat er dabei gar nicht gedacht, ein paarmal hat er die sogar zu uns nach Hause
     geholt, diese fette Kuh, in unser Haus, da hab ich sie sogar in Mamas Bett erwischt und Alina hat sich kein Stück geschämt,
     hat nur gelacht und gesagt, ich wäre spießig und stockkonservativ und dass ich,
ich
, ja   …«
    »Ist gut, Mirko. Konzentrier dich auf die Straße.«
    Ich verstand ja, dass er in einem extremen Konflikt war. Er tat mir leid, aber mir war auch eines klar: Selbst wenn er mir
     so sehr vertraute, dass er mir gegenüber seinen Vater des Mordes beschuldigte, selbst dann musste ich schleunigst zusehen,
     dass ich heil aus dem Auto heraus und wieder mit ihm unter Leute kam. Mirko allein war mir zu aufgewühlt, zu unberechenbar.

29
    Ich zog mein Handy aus der Hosentasche, während er mehr schlecht als recht einem entgegenkommenden Wagen auswich.
    »Pass auf!« Ich drückte Julians Nummer.
    »Ich hab den Führerschein noch nicht lange! Ich   … Nicht, Eva!« Blitzschnell beugte er sich zu mir herüber und riss mir das Handy aus der Hand. Der Wagen geriet außer Kontrolle,
     schlingerte über die Straße. Ich schrie, entsetzt über Mirkos Verhalten und die Bäume, die vor der Windschutzscheibe auftauchten.
    »Soorrrrry!« Mirko versuchte den Jeep wieder auf den Fahrstreifen zurückzubringen. Ich klammerte mich an den Haltegriff. Ausgerechnet
     jetzt brach der Schwindel über mich herein! Würde mein durchgedrehter Kopf mir ein Mal nicht im Wege stehen, könnte ich Mirko
     das Handy vielleicht wieder abnehmen, während er mit Lenken beschäftigt war. Aber so war ich durch meinen eigenen Körper zur
     Unfähigkeit verurteilt. Ich musste mich ganz darauf konzentrieren, nicht völlig die Orientierungzu verlieren und mich nicht zu übergeben. Was war ich für eine Versagerin!
    Nach einer Minute rollte der Jeep wieder ruhig und in normalem Tempo über die Straße. »Ich glaub, das hätten wir geschafft.«
     Mirko klang erleichtert, plötzlich kühl und gar nicht mehr weinerlich. Er bremste vorschriftsmäßig ab, als er sich einer Kreuzung
     näherte.
Munkelbach 3  
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