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Schwindel

Titel: Schwindel
Autoren: Kristina Dunker
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nebeneinanderstehend, zu einem Zeitpunkt
     aufgenommen, an dem Bernd und Alina offenbar »schon weg« waren.
    Es musste das letzte aus der Serie sein, die er von ihr und meinem Freund geschossen hatte. Lange war es mir darum gegangen,
     Julian durch diese Fotos zu entlarven. Jetzt aber interessierte mich nur noch, was Mirko aufgenommen hatte, nachdem er genügend
     Festfotos geschossen und bevor er seinen trauernden Vater abgelichtet hatte. Wen hatte Mirko nachts im Dunkeln fotografiert?
     Draußen. Womöglich genau in der Nacht, als Alina starb.
    Vor dem Wagen war Mirko inzwischen still geworden. Ich wagte nicht, ihn anzusehen, fürchtete, dass ich dann wie in einem Albtraum
     nicht mehr wissen würde, was ich tat, fürchtete, er könne mich mit einem einzigen bösen Blick dazu bewegen, die Türen des
     Jeeps zu öffnen.
    Ich betätigte den Handyknopf, der mir das erste der beiden geblitzten Bilder, die ich zuvor überblättert hatte, noch einmal
     anzeigte. Es war unscharf und grau. Zu sehen aber waren Bäume, ein Gesicht, eine Hand, weiß,vor das Gesicht gehalten. Haare sah man auch, die Person, die sich erschrocken vor dem Blitzlicht schützte, hatte eine Wuschelfrisur,
     und da, ein Stück des Arms war auch drauf, mit ihm die weinrote Jacke.
    Das also war Mirkos Geheimnis!
    Mir war, als würde ich zum zweiten Mal den Steilabbruch hinunterstürzen.
    Eine Sekunde später hörte ich Mirkos hohe Stimme dicht an meinem Ohr: »Er ist schuld! Hätte er sie nicht in den Wald gebracht,
     hätte er sie nicht alleine gelassen, wäre nichts passiert! Ich habe nichts gemacht! Ich hab sie nicht angefasst! Sie hat immer
     gestichelt, dass er mir nicht trauen soll, dass er mir das heimzahlen soll mit der Internetseite – sie hat mich nur schlechtgemacht.
     Aber was hab ich getan: nichts! Der kleine Streich, ein paar Fotos, das war doch nur die Wahrheit!«
    Ich konnte es mir nicht anhören. Es ging nicht. Wenn ich mir die Minuten zwischen Mirko und Alina, Alinas letzte Minuten,
     auch nur vorstellte, würde ich wahnsinnig werden. Verzweifelt presste ich mir die Hände auf die Ohren.

31
    Ich musste hier weg. Aber wie? Den Motor starten und fahren? Das hatte ich noch nie gemacht und wagte es nicht. Besser auf
     mich aufmerksam machen. Hoffen, irgendein Auto verirre sich des Nachts auf diese Nebenstraße. Fahrig suchte ich nach dem Lichtschalter,
     drückte auf die Hupe.
    »Hör auf damit!« Mirko, der begriffen hatte, dass ich ihm nie und nimmer freiwillig die Autotür öffnen würde, flippte völlig
     aus. Er zerrte an den Türgriffen, versuchte es beim Kofferraum, rannte um das Auto, brüllte Unflätigkeiten, die mich fertigmachen
     sollten: »Das hältst du nicht durch, Eva! Du hast Schiss in geschlossenen Räumen, du hast schon Schiss, wenn dich einer nur
     anstarrt!« Er trat gegen die Reifen und das Türblech. Würde es ihm gelingen, mit einem Stein oder einem Holzpfosten die Scheiben
     einzuschlagen? Mein Herz raste. Mein Atem wurde zum Hecheln. Ich konnte nicht einfach abwarten und riskieren, dass er’s irgendwann
     schaffte. Ich brauchte etwas zur Verteidigung. Mit einer Hand die Hupe betätigend, durchsuchte ich mit der anderen das Handschuhfach.
     Nichts außer Betriebsanleitungen und Musik-CDs. Warum hatte Vollmer nicht sein Jagdgewehr auf dem Rücksitz liegen lassen?!
     Und was war mit der Reisetasche?
    Unaufhörlich weiterhupend zog ich sie nach vorn, durchwühlte den Inhalt: Schokolade, Pullover, Konservendosen, zwei Schlafsäcke,
     zwei neue Zahnbürsten, Rasierschaum. Das war ja wohl der Gipfel! Hatte Mirko vorgehabt, zu fliehen und mich zu verschleppen?
    Ganz unten lag mein Tagebuch. Für einen Moment vergaß ich, in welcher Situation ich war, ließ die Hupe los und schlug es auf.
     Tränen liefen mir über das Gesicht: Dieses Schwein hatte meine Eintragungen kommentiert, Teile gestrichen, Ausrufezeichen
     an die Ränder gemalt.
    »Ja, lies nur nach, wie blöd du bist!« Mirko zog Grimassen vor dem Fenster. »Du bist genauso ein unerwünschtesStück Dreck wie ich, keiner will dich haben! Auch dein Julian nicht mehr, das hast du ja gesehen.«
    Jetzt versuchte er sich in psychologischer Kriegsführung. Die Worte sprühten vor Gift, der Blick vor Hohn. Ich musste mich
     schützen, Ohren und Augen verschließen, schnell. Sein Wissen über mich durfte ihm keine Macht verschaffen.
    »Selbst dein Fuchs hasst dich! Du kotzt ihn an!«
    Ich griff nach dem Rasierschaum.
    »Und deine Eltern, die schämen sich für
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