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Schwesterlein, komm tanz mit mir

Schwesterlein, komm tanz mit mir

Titel: Schwesterlein, komm tanz mit mir
Autoren: Mary Higgins Clark
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Fingernägel in die Handflächen, um nicht zu schreien. Erins Ring hatte sich gedreht, und sie spürte, wie sich das erhabene E in ihre Haut drückte.
    Michael öffnete den Schuhkarton und faltete das Seidenpapier auseinander. Er nahm einen Schuh heraus und hielt ihn hoch, damit sie ihn bewundern konnte. Es war ein zehenfreier, hochhackiger Satinpumps. Die Knöchelriemen waren fast durchsichtige Bänder aus Gold und Silber. Michael nahm Darcys rechten Fuß in die Hand und schob ihn in den Schuh. Dann band er einen doppelten Knoten in die langen Riemen. Er griff in den Karton, nahm den anderen Schuh heraus und streichelte ihren Knöchel, während er ihn ihr über den Fuß streifte.
    Als sie beide Schuhe trug, schaute er auf und lächelte.
    «Fühlen Sie sich wie Aschenputtel?» fragte er.
    Sie konnte nicht antworten.
    «Das Radargerät zeigt an, daß der Kombi in nordwestlicher Richtung etwa fünfzehn Kilometer von hier geparkt ist», sagte der Polizist aus Bridgewater knapp, als der Streifenwagen über die Landstraße raste. Vince, Chris und Nona waren bei ihm.
    «Das Signal wird stärker», sagte er ein paar Minuten später.
    «Wir kommen näher.»
    «Nahe genug sind wir erst, wenn wir da sind», platzte Chris heraus. «Können Sie nicht schneller fahren?»
    Sie schnitten eine Kurve. Der Fahrer trat heftig auf die Bremse. Der Wagen schlingerte und fuhr dann wieder geradeaus. «Oh, verflucht!»
    «Was ist?» rief Vince.
    «Da hinten reißen sie die Straße auf. Wir kommen nicht durch. Und die verdammte Umleitung kostet Zeit.»
    Musik füllte den Raum, konnte aber sein manisches Lachen nicht übertönen. Darcys Schritte paßten sich seinem Rhythmus an. «Ich tanze nicht oft Wiener Walzer», schrie er, «aber heute abend hatte ich das mit Ihnen vor.» Wirbeln, Kreisen, Drehen. Darcys Haar flog um ihr Gesicht.
    Sie keuchte, aber er schien es nicht zu merken.
    Der Walzer endete. Er nahm seinen Arm nicht von ihrer Taille. Seine Augen waren wieder glitzernde, dunkle, leere Löcher.
    «Can’t Get Started with You.»
Leichtfüßig glitt er in einen anmutigen Foxtrott. Sie folgte ihm mühelos. Er hielt sie eng an sich gedrückt, preßte sie fast an sich. Sie konnte nicht atmen. Hatte er es so mit den anderen gemacht? Ihr Vertrauen erworben? Sie in dieses entlegene Haus gebracht? Wo waren ihre Leichen? Hier in der Nähe irgendwo vergraben?
    Welche Chance hatte sie, ihm zu entkommen? Er würde sie fangen, ehe sie zur Tür gelangte. Beim Eintreten hatte sie den Notrufknopf bemerkt. War er an eine Alarmanlage angeschlossen? Wenn er wußte, daß jemand unterwegs war, würde er sie vielleicht nicht umbringen.
    Michaels Verhalten wurde immer drängender. Sein Arm lag wie Stahl um ihre Taille, während er in völligem Einklang mit der Musik dahinglitt. «Wollen Sie mein Geheimnis wissen?» flüsterte er. «Das ist nicht mein Haus.
    Es ist Charleys Haus.»
    «Charley?»
    Rückschritt. Gleiten. Drehen.
    «Ja, das ist mein richtiger Name. Edward und Janice Nash waren mein Onkel und meine Tante. Sie adoptierten mich, als ich ein Jahr alt war, und änderten meinen Namen von Charley in Michael.»
    Er starrte auf sie herab. Darcy konnte es nicht ertragen, in diese Augen zu schauen.
    Rückschritt. Seitschritt. Gleiten.
    «Was war mit Ihren richtigen Eltern?»
    «Mein Vater brachte meine Mutter um. Er kam auf den elektrischen Stuhl. Immer, wenn mein Onkel wütend auf mich war, sagte er, ich würde genau wie mein Vater. Meine Tante war nett zu mir, als ich klein war, aber dann hörte sie auf, mich zu lieben. Sie sagte, sie seien verrückt gewesen, mich zu adoptieren. Sie sagte, das schlechte Blut käme durch.»
    Ein neues Lied. Frank Sinatra sang schmachtend:
«Hey there, Cutes, put on your dancing boots and come dance with me.»
    Schritt. Schritt. Gleiten.
    «Ich bin froh, daß Sie mir das sagen, Michael. Reden hilft, finden Sie nicht?»
    «Ich möchte, daß Sie mich Charley nennen.»
    «Gut.» Sie versuchte, nicht zaghaft zu klingen. Er durfte ihre Angst nicht sehen.
    «Wollen Sie nicht wissen, was mit meiner Mutter und meinem Vater passiert ist? Ich meine, den Leuten, die mich großgezogen haben?»
    «Doch, gern.» Darcy dachte daran, wie müde ihre Beine waren. Sie war nicht an Stöckelschuhe gewöhnt. Sie hatte das Gefühl, die engen Fesselriemen schnitten ihre Blutzirkulation ab.
    Seitschritt. Drehung.
    Sinatra drängte:
«Romance with me on a crowded floor …»
    «Als ich einundzwanzig war, hatten sie einen Bootsunfall. Das Boot flog
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