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Schwesterlein, komm tanz mit mir

Schwesterlein, komm tanz mit mir

Titel: Schwesterlein, komm tanz mit mir
Autoren: Mary Higgins Clark
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aus. Er wandte keinen Blick von ihrem Gesicht.
    «Darf ich mich umschauen?» Sie ging ziellos durch den Raum und hielt inne, als wolle sie die wenigen Ziergegenstände betrachten, fuhr mit der Hand über die Anrichte, die den Küchenbereich vom übrigen Raum trennte. «Was für schöne Schränke.»
    «Ich habe sie anfertigen lassen, aber selbst eingebaut.»
    «Tatsächlich!»
    Seine Stimme war freundlich, hatte aber einen härteren Unterton bekommen. «Ich sagte Ihnen ja, mein Vater war ein Selfmademan. Er wollte, daß ich fähig wäre, alles selbst zu machen.»
    «Dann hat er Sie aber gut angelernt.» Sie konnte unmöglich noch länger herumstehen. Sie drehte sich um, ging auf das Sofa zu und trat dabei auf etwas Hartes, das fast von den Fransen des Teppichs im Sitzbereich verdeckt wurde.
    Darcy ignorierte es und setzte sich rasch hin. Ihre Knie zitterten so, daß sie das Gefühl hatte, sie würden unter ihr nachgeben.
Was war los? Warum hatte sie solche Angst?
    Dies war Michael, der nette, rücksichtsvolle Michael.
    Sie wollte jetzt nicht an Erin denken, aber Erins Gesicht ging ihr nicht aus dem Sinn. Sie nahm einen kleinen Schluck Sherry, um die Trockenheit in ihrem Mund zu vertreiben.
    Die Musik hörte auf. Michael sah ärgerlich aus, stand auf und ging zur Stereoanlage. Von dem Regal darüber nahm er einen Stapel Kassetten und begann sie durchzusehen. «Ich habe nicht gemerkt, daß das Band schon fast zu Ende war.»
    Es war, als rede er mit sich selbst. Darcy umklammerte den Stiel des Glases. Nun zitterten ihre Hände. Ein paar Tropfen Sherry fielen auf den Boden. Sie griff nach der Cocktailserviette und beugte sich nieder, um sie aufzutupfen.
    Als sie sich wieder aufrichten wollte, bemerkte sie, daß tatsächlich etwas in den Fransen des Teppichs lag, etwas, das im Licht der Lampe neben dem Sofa glänzte. Darauf mußte sie getreten sein. Vermutlich war es ein Knopf. Sie griff danach. Die Spitzen ihres Daumens und Zeigefingers glitten in einen Hohlraum und trafen sich. Es war kein Knopf, es war ein Ring. Darcy hob ihn auf und starrte ihn ungläubig an.
    Ein goldenes E auf einem Onyxhintergrund in ovaler Fassung. Erins
Ring.
    Erin war in diesem Haus. Erin hatte auf Michael Nashs Kontaktanzeige geschrieben.
    Blankes Entsetzen überkam Darcy. Michael hatte gelogen, als er behauptete, Erin nur einmal zu einem Drink im «Pierre» getroffen zu haben.
    Plötzlich begann die Stereoanlage zu dröhnen.
    «Entschuldigung», sagte Michael. Noch immer wandte er ihr den Rücken zu.
    «Change Partners and Dance.»
Er summte die ersten Takte mit, bevor er den Ton leiser stellte und sich ihr zuwandte.
    Hilfe, betete Darcy. Hilfe! Er darf den Ring nicht sehen.
    Er starrte sie an. Sie preßte die Hände zusammen und schaffte es, den Ring auf ihren Finger zu streifen, als Michael mit ausgestreckten Armen auf sie zukam.
    «Wir haben noch nie miteinander getanzt, Darcy. Ich kann gut tanzen, und ich weiß, daß Sie es auch können.»
    Erins Leiche war mit einem Abendschuh am Fuß gefunden worden. Hatte sie hier in diesem Raum mit ihm getanzt? War sie hier in diesem Raum gestorben?
    Darcy lehnte sich auf dem Sofa zurück. «Ich wußte gar nicht, daß Sie gern tanzen, Michael. Als ich von den Kursen erzählte, die Nona, Erin und ich besucht haben, hatte ich nicht den Eindruck, daß Sie das sonderlich interessiert.»
    Er ließ die Arme sinken und griff nach seinem Sherryglas. Er hockte sich auf den Sessel, diesmal so dicht am Rand, daß ihn scheinbar nur seine auf den Boden gestellten Beine abstützten.
    Fast, als könne er sie jeden Moment anspringen.
    «Ich tanze schrecklich gern», sagte er. «Aber ich fand es ungesund, Sie an den Spaß zu erinnern, den Sie bei diesen Tanzkursen mit Erin hatten.»
    Darcy neigte den Kopf, als denke sie über seine Antwort nach. «Man hört ja auch nicht auf, Auto zu fahren, weil jemand, den man gern hatte, einen Autounfall hatte, oder?» Sie wartete nicht auf eine Antwort, sondern versuchte, das Thema zu wechseln. Sie betrachtete den Stiel des Glases.
    «Hübsche Gläser», bemerkte sie.
    «Die habe ich in Wien gekauft», sagte er. «Tatsächlich schmeckt der Sherry daraus noch besser.»
    Sie lächelte mit ihm. Jetzt hörte er sich wieder wie der Michael an, den sie kannte. Der seltsame Ausdruck in seinen Augen war für einen Augenblick vergangen.
Laß ihn so bleiben, sagte ihr ihre Intuition. Rede mit ihm. Sorge dafür, daß er mit dir redet.
    «Michael.» Sie gab ihrer Stimme einen zögernden,
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