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Schwerelos

Schwerelos

Titel: Schwerelos
Autoren: Ildikó von Kürthy
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hatte Regina mir den Laden beschrieben.
    Ich stand am Tresen, schob meine Beckenknochen lasziv Richtung Raummitte – und hatte drei Minuten später auch schon den ersten körperlichen Kontakt. Leider war es nur der Kellner, der mich anrempelte und barsch bat, doch etwas weniger Platz zu beanspruchen. Dieser Bitte kam ich selbstverständlich sofort nach. Fortan kam ich mir allerdings deutlich weniger erotisch vor und behielt meine Beckenknochen lieber in Reichweite.
    «Die guten Männer haben allerdings was anderes zu tun, als in Bars rumzuhängen und frustrierte Tussis anzumachen», hatte Regina mir noch feinfühlig mit auf den Weg gegeben. «Wenn du in der ‹Tower Bar› angesprochen wirst, kannst du froh sein, wenn der Typ bis fünf zählen kann, ohne dabei die Zwei und die Vier zu vergessen.»
    Für eine Frau mit meinem Body-Mass-Index stand ich schon viel zu lange allein an der Bar. War ich zu alt? Mein Blick zu verzweifelt?
    Es war zum Verzweifeln. Ich hatte den Eindruck, dass das Personal bereits Wetten abschloss, ob ich die Frau sei, der an diesem Abend nicht ein einziges Getränk gesponsert werden würde.
    «Falls dich keiner anspricht, liegt das am Nicole-Kidman-Syndrom», hatte Erdal bei unserem letzten Telefonat gesagt. «Eine Frau wie du lässt einen Mann denken: Zu viel Ausstrahlung, zu viel Anspruch, zu wenig Busen – das lohnt den Aufwand nicht. Für eine Nacht holst du dir doch keine Probleme ins Bett.»
    «Aber ich bin doch gar nicht problematisch!», hatte ich ihm überzeugt widersprochen.
    «Machst du Witze? Jede Frau, die gut verdient, ist problematisch. Wenn sie dann noch Wert auf eigenen Humor und ein paar hausgemachte Minderwertigkeitskomplexe legt, ist sie so gut wie unvermittelbar. So eine macht doch sofort Ärger – und hört dann die nächsten dreißig Jahre nicht damit auf. In diesem Laden wirst du nur angesprochen, wenn du glaubhaft ausstrahlst, dass du den Unterschied zwischen Omelett und Hamlet nicht kennst.»
    Ich war heute Abend angetreten, Erdal das Gegenteil zu beweisen. Ich bemühte mich um eine total unkomplizierte und lebensbejahende Aura, lächelte unproblematisch in die Weite des Raumes – und wurde langsam nervös.
    Endlich schob sich ein unangenehm warm gesessener Hintern von hinten an mich, und eine tiefer gelegte Stimme sagte: «Ich kenne Sie nicht. Und das würde ich gerne ändern.»
    Ich drehte mich triumphierend um und sah den roten, feuchten Nacken eines Mannes, der mit sabberndem Blick das mächtige Dekolleté einer Frau begutachtete, die ein armfreies, beinfreies, schulterfreies, bauchfreies und so gut wie brustfreies Fetzchen am gerundeten Leib trug.
    Würde man dieses Kleid selber nähen, bräuchte man in etwa so wenig Stoff wie für ein Lätzchen für Joseph. Na, kein Wunder, dachte ich erbost, wenn so eine Frau hinter dir steht, spricht dich natürlich keine Sau an. Das ist ja, wie wenn du deinen kleinen Laden für gehobene Wohnkultur direkt neben Ikea eröffnest.
    Statt einen strategisch günstigeren Platz aufzusuchen, zum Beispiel bei mir zu Hause auf dem Sofa, studierte ich das Balzverhalten meiner Artgenossen, um daraus für die Zukunft zu lernen.
    «Ich glaube, ich kenne Sie», flötete die Dame. «Habe ich Sie nicht schon mal im Fernsehen gesehen?»
    «Sie wollen mir doch bloß schmeicheln, oder? Kellner, bringen Sie uns eine Flasche Dom Pérignon.»
    «Ich mag Männer, die wissen, was sie wollen.»
    Ein erregter Ruck erschütterte den schwitzigen, platten Männerhintern in meinem Rücken.
    Igitt, das war mir zu viel.
    Ich nahm mein Glas und setzte mich in einen der Sessel mit Blick auf die Bar. Die Dame prostete dem willigen, warmen Arsch ihr gegenüber zu.
    Es war Hubertus Weber, Hamburgs Zweiter Bürgermeister und Familiensenator – und Geliebter meiner Freundin Regina.
    Hubbis Blick wanderte scheibenwischerartig zwischen den Brüsten der Dame hin und her. Was sollte ich in meiner misslichen Lage tun? Ich schaute dem Mann zu, der seine Gattin mit meiner Freundin betrog und dabei war, dieses Busenwunder anzubaggern.
    Verzwickt, so einen Fall moralisch zu bewerten. Darf man eine Geliebte betrügen nach dem Motto: Auf eine mehr oder weniger kommt es doch nicht an? Wie würde Regina reagieren? Und sollte oder musste ich ihr überhaupt davon erzählen? Sie hat mit ihrem Mann ein stillschweigendes Abkommen: Wenn es denn unbedingt sein muss, betrüge mich. Aber bitte so diskret, dass ich es nie erfahre.
    Ist das nicht absurd? Soll das neue Ehegelöbnis,
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