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Schwerelos

Schwerelos

Titel: Schwerelos
Autoren: Ildikó von Kürthy
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wenn es zieht, wenn ich zu wenig verdiene.
    «Du hast dich immer mit viel zu wenig zufriedengegeben», hat Regina gestern Abend gesagt, als wir in der «Dual Bar» in meinen Geburtstag hinein- und aus meiner Beziehung herausfeierten und auf meine neue Funktion als stolzeste Patentante der Welt anstießen.
    Ja, ich erwarte zu wenig, weil ich denke, ich hätte nicht viel verdient. Es ist ganz einfach: Wer wenig will, bekommt auch wenig.
    «Was willst du anders machen beim nächsten Mann? Oder hattest du mit Frank einfach nur den falschen Mann?»
    «Kann sein, aber den habe ich mir ja auch ausgesucht. Man ist doch selbst schuld an dem Mann, den man hat.»
    «Oder an den Männern», sagte Regina.
    «Ich finde, es wird Zeit, erwachsen zu werden», sagte ich, für meine Verhältnisse ungewöhnlich entschlossen.
    «Das sagst ausgerechnet du, Marie, die Erwachsenste von allen! Du bist doch immer so wahnsinnig vernünftig.»

    «Aber erwachsen sein heißt doch nicht automatisch vernünftig sein. Erwachsen ist das, was man freiwillig ist. Und ich bin nicht freiwillig vernünftig, sondern weil ich mich nichts anderes zu sein traue. Weißt du noch, als wir auf der Moritz-von-Uslar-Lesung waren? Meine Güte, kam ich mir da alt vor, bloß weil ich eine Hose anhatte, mit der ich mich nicht auf den Fußboden setzen wollte. Und dann diese jungen Dinger, mit denen der Boden gepflastert war: unsicher und arrogant, verletzt und verletzend, uncool bemüht, cool zu sein, immer auf der Suche und gleichzeitig in Sorge, irgendwo anzukommen, wo man möglicherweise bleiben sollte. Nennen sich selbst immer noch Mädchen, obschon sie längst erwachsen sind. Oder es zumindest sein sollten. Genauso wie ich! Ich unterscheide mich nicht von denen, außer dass meine Knochen knacken, wenn ich mich auf den Boden setze, und dass meine sexuellen Phantasien einem gewissen Wandel der Zeit unterworfen sind. Bitte sag es niemandem weiter, aber ich habe festgestellt, dass ich anfange, Claus Kleber attraktiv zu finden.»
    «Gibt es eigentlich nichts, was du an dir gut findest?»
    «Doch. Meine Haare.»
     
    Die Mitte meines Bettes beginnt mir immer besser zu gefallen. Vielleicht ist das Alleinsein gar nicht so schlecht, zumindest eine Zeitlang. Ich verbringe den Vormittag meines siebenunddreißigsten Geburtstages – ein Sonntag, aber heute stört mich das nicht – so, wie ich schon immer gerne einen Sonntagvormittag verbracht hätte: im Bett.
    Frank hatte großen Wert auf ein Frühstück mit frischen Brötchen und der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» gelegt. Und Zeitungen und alles, was krümelt, warenbei uns im Bett verboten gewesen. Diese Regel habe ich als Alleinlebende persönlich und mit sofortiger Wirkung aufgehoben. Ab sofort erlaubt ist bei mir auch: fernsehen im Schlafzimmer. Unterwäsche auf dem Balkon trocknen. Das Abendessen direkt aus dem Topf zu sich nehmen und dabei telefonieren. «Deutschland sucht den Superstar» gucken. Das ganze Wochenende die Wohnung nicht verlassen, obschon draußen die Sonne scheint.
    Meine Güte, was gibt man nicht alles auf, der Liebe zuliebe!
    Es ist zwei Uhr nachmittags, ich bin immer noch im Nachthemd, habe etliche Glückwunsch-Anrufe entgegengenommen und beschließe, endlich mal auszuprobieren, wie belastbar unsere Nachbarn sind.
    Es ist völlig klar, dass es für eine Frau in meiner Situation nur ein einziges Lieblingslied geben kann. Ich singe es in einer Lautstärke und einem guten Gewissen mit, die mir bisher fremd waren.
     
    Die große Freiheit ruft wieder an,
    Du musst entscheiden: Gehst du dran?
    Die große Freiheit funktioniert nur allein,
    Du musst entscheiden:
    Wie frei willst du sein?
     
    Lass alles fallen, stehen und liegen,
    Lass sie sich weiter selbst betrügen,
    Raus aus der Reihe, Schluss mit dem Warten,
    Wer nur ansteht, kann nicht starten.
    Goodbye, goodbye, goodbye.
    Ab heut bist du frei!
     
    Schon vor der dritten Strophe klingelt es an der Tür. Das gibt es ja wohl gar nicht, diese Nachbarn sind wirklich keinen Kummer gewohnt! Wahrscheinlich dachten sie sogar, die Wohnung über ihnen sei gar nicht bewohnt. Aber diese Zeiten sind nun vorbei. Ich mache Lärm, und ich brauche Platz. Widerwillig öffne ich die Tür. Meine Nachbarn sehen definitiv anders aus.
    «Frau Rosemarie Goldhausen?»
    «Ja.»
    «Ich bin Bote der Kanzlei Liek und Partner. Würden Sie den Erhalt des Umschlags bitte hier quittieren?»
    Mir wird schwummrig. Das gibt es doch nicht, diese fiesen Kröten haben
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