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Schweigfeinstill

Schweigfeinstill

Titel: Schweigfeinstill
Autoren: Friederike Schmöe
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Küche. Sie beherbergte außer Barbrett, Kühlschrank, Herd und der üblichen Ausrüstung an Schränken ein rotes Sofa und einen Couchtisch voller Bücher und Zeitschriften. In passender Entfernung thronte mein Fernseher. Und ein CD-Spieler. Ein ziemlich guter. Die CDs stapelte ich sorgfältig in Regalen, die ich höchstpersönlich in die Wand gedübelt hatte. Alles war säuberlich sortiert. Ich liebte Musik und hing an allen meinen Aufnahmen.
    »Jazz?«, fragte Jassmund, der vor den CD-Regalen stehengeblieben war, und schenkte ein neuerliches Lächeln her.
    »Jazz, Klassik, Swing, Hip-Hop, Reggae, Romantik, Alte Musik, Chansons. Was Sie wollen.«
    »Eine ziemliche Bandbreite!« Jassmund nahm eine CD aus dem Regal. Die Andrew Sisters. »Rum and Coca Cola! Ich liebe den Song.« Jassmund sang ein paar Takte, richtig sonor, und machte Tanzschritte. Trotz seines Übergewichts sah das anmutig aus. Täuschte ich mich, oder nistete ein Lächeln in den traurigen Torfaugen seines Kollegen?
    »Ich singe im Polizeichor. Wir wollen ein kleines Ensemble gründen, für das Alternativprogramm.« Jassmund lachte. »Mal sehen, ob etwas daraus wird.« Er legte die CD zurück. »Was machen Sie beruflich?«
    »Ich bin Ghostwriterin.«
    Niemand wollte etwas dazu wissen. Entweder waren die beiden noch nicht richtig eingearbeitet an diesem nassen Sonntag, oder sie hatten eine besonders ausgebuffte Vernehmungstechnik.
    »Ist das Ihr Arbeitszimmer?« Jassmund wies auf die halb offen stehende Tür. Ich nickte. Arbeitszimmer bedeutete für mich tatsächlich nur eins: ein Zimmer zum Arbeiten. Ich hielt mich dort auf, wenn ich schrieb, für ein Buch recherchierte, Rechnungen ausdruckte, mit Verlagen telefonierte. Ansonsten nicht. Es war schwer genug, Job und Freizeit auseinanderzuhalten, wenn man im eigenen Haus seiner beruflichen Tätigkeit nachging.
    »Ja.« Ich stieß die Tür auf und machte eine Handbewegung, die den beiden Polizisten signalisieren sollte: Schon o. k., geht rein, hier hängt keine Leiche über dem Aktenschrank. Die Jalousien waren noch heruntergelassen. Ich schob mich an Jassmund vorbei, um sie aufzuziehen, auch wenn draußen nur schimmeliges Grau über der Landschaft lag und der Nebel die Sonne ausbremste.
    »Ziemlich aufgeräumt, im Gegensatz zu meinem Schreibtisch«, stellte Jassmund fest.
    Ich kniff die Augen zusammen und schaute genauer hin. Aufgeräumt. So konnte man es nennen.
    Wo normalerweise mein Laptop thronte, ganz das Zentrum des Schreibtisches, streckte mir die neue Schreibunterlage die Zunge raus. Ich riss die Schubladen auf. Die CD-Mappe – weg. Der Behälter für meine Datenstifte – verschwunden. Sämtliche Notizbücher, die ich in der untersten Schublade stapelte – durchwühlt. Alle, in die ich bereits etwas eingetragen hatte, fehlten. Nur die jungfräulichen hatte mein Besucher übriggelassen. Ich ging zum Aktenschrank.
    »Die Digitalkamera ist auch weg«, flüsterte ich.
    Jassmund und Keller standen im Raum wie Außerirdische, die das Kommando über das Raumschiff übernehmen wollten.
    »Ihr Ausweis, Geld, Papiere?«
    Ich war ein ordentlicher Mensch. Was mit meinem Beruf zu tun hatte, war vernünftig sortiert und eingeräumt, auch Krankenversicherungsnachweise, Dokumente von der Bank, Ersatzschlüssel, sogar mein altes Studienbuch. Ich brauchte also keine Minute, um zu überprüfen, ob etwas fehlte.
    »Alles da. Nur …« Das Adrenalin schoss ein und machte mich wild. »Dieser Scheißkerl …«
    »Warten Sie!«, sagte Jassmund in seinem Bariton und ich fragte mich, warum der Mann nicht zur Oper gegangen war. »Ich sehe nach.«

     

3.
    Keller spülte die Espressokanne aus , suchte nach der Dose mit dem Kaffeepulver, fand sie schließlich im Kühlschrank, gab ein paar Löffel ins Sieb und schraubte das Maschinchen zusammen. Wahrscheinlich merkte er, dass ich erst weitermachen konnte, wenn ich die nächste Dosis Koffein intus hatte. Er ließ mich in Ruhe, guckte stattdessen aus dem Fenster.
    »Halten Sie Geflügel?«, fragte er erstaunt.
    Jetzt musste ich erklären, weshalb ich zwei Gänse besaß.
    »Ja. Waterloo und Austerlitz.«
    Er schaute so verblüfft drein, dass ich lachen musste.
    »Ich nenne sie Loo und Litz. Die Namen habe ich mir ausgedacht, um zwei Kerle zu ärgern, mit denen ich mal was hatte. Der eine war Franzose, der andere Österreicher.«
    »Jetzt schleppen die armen Gänse zwei sperrige Namen mit sich herum«, stellte Keller nüchtern fest, während er sich auf einem Barhocker
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