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Schweigfeinstill

Schweigfeinstill

Titel: Schweigfeinstill
Autoren: Friederike Schmöe
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Überhaupt interessierte ihn brennend, was Andy wusste.«
    »Andy wusste gar nichts«, sagte ich. »Dass Gina überhaupt einen Geliebten hatte, wurde ihm erst richtig klar, als er Jennys Film entdeckte. Obwohl er es instinktiv schon vorher gespürt hat.«
    »Sicher«, bestätigte Keller. »Infam genug, die Leiche in der Nähe von Andys Haus abzulegen, um den Verdacht auf ihn zu lenken. Wollen Sie nicht wissen, wie Kugler an jenem Abend in Ihr Haus gekommen ist?«
    »Doch.«
    »Die beiden Spießgesellen beobachteten Sie im Piranha . Als Sie heimfuhren, kam Kugler nach. Schöll hatte ihm verraten, wo der Haustürschlüssel versteckt war.«
    Also wieder Carlo. Ich würde darüber nicht hinwegkommen. Von den beiden Menschen, denen ich hier draußen vertraute, konnte ich einen abschreiben. Die Sache war gelaufen.
    »Er hätte reinkommen, die Dokumente klauen und verschwinden können. Warum blieb er bis zum Morgen?«, fragte ich.
    »Vielleicht checkte er die Daten an Ihrem Computer durch. So hätte er vermeiden können, den Laptop und ihre Notizen zu stehlen. Sie hätten nicht mal was gemerkt.«
    »Er wird versucht haben, die Passwörter zu knacken.«
    »Und hat das so schnell nicht hingekriegt. Also musste er alles mitgehen lassen.«
    »Aber Lehr«, wandte ich ein, »wurde durch den Unfall total unter Stress gesetzt. Hat er sich wirklich zu dem Wagen geschlichen und dem toten Kugler die Papiere unterm Hintern weggezogen?«
    »Ich denke, ja. Fragen können wir beide nicht mehr.«
    Wir schwiegen. Die Pause zog sich in die Länge.
    »Ich wollte Sie nicht verärgern«, gab ich meinem Herzen den entscheidenden Stoß. »Aber das Leben hat mir beigebracht, dass es besser ist, nicht zu warten, dass andere einen aus der Scheiße rausholen.«
    »Da habe ich gegenteilige Erfahrungen gemacht«, entgegnete Keller.
    Wir sahen uns an.
    Schließlich sagte ich: »Ich möchte mich entschuldigen. Ich habe Sie neulich ziemlich angemacht.«
    »Das spielt keine Rolle«, erwiderte er steif.
    »Ich wollte Ihnen mein Leid nicht so unter die Nase reiben«, fuhr ich fort. Ich hatte dieses Gespräch, von dem ich wusste, dass es irgendwann stattfinden würde, beim Wändestreichen so oft durchgespielt, dass sich die Worte zuverlässig aneinanderreihten, auch wenn es mir nicht leicht fiel. »Ich meine, Sie haben schreckliche Dinge hinter sich. Sie kennen das schwarze Loch. Ich wollte nicht als eine dastehen, die meint, ihr ginge es am schlechtesten von allen auf der Welt.«
    »Meine Frau ist bei einem Raubüberfall getötet worden«, sagte Nero mit leerem Gesicht. »In einem Supermarkt mitten in München, und ich konnte nichts tun. Sie wollte sich ducken, sich in Sicherheit bringen, aber ihre Bewegung wurde von einem der Kerle falsch verstanden. Er feuerte auf sie.«
    »Es tut mir so leid«, sagte ich.
    Wir waren eine Zeitlang still. Plötzlich hielt ich es für eine ernst zu nehmende Option, weiterzuziehen. Das Haus zu verkaufen und das Leben anderswo auszuprobieren. Was hielt mich hier schon.
    »Ich habe ein Weihnachtsgeschenk für Sie«, sagte Keller schließlich.
    »Was denn?«
    »Arbeitsklamotten, Werkzeug und einen Gutschein vom Baumarkt.«
    Ich starrte ihn verständnislos an.
    »Ich habe noch Urlaub.« Er warf mir einen unsicheren Blick zu.
    »Weiß ich.«
    »Den ich nutzen könnte, um mich an den Renovierungsarbeiten zu beteiligen. Ich dachte, es wäre gut, wenn Sie ein Gästezimmer hätten. Ihr Besuch müsste nicht mehr in der Küche schlafen.«
    Ich dachte an Andy. Er hatte sein Leid totgeschwiegen, und Gina auch. Zwei Menschen, die vielleicht einen Neuanfang wagen konnten. Die einander brauchten, egal wie zerrüttet ihr Leben bereits war. Für die beiden konnte ich nichts tun. Wohl aber für mich. Ein Versuch sollte nicht allzu schwierig sein. Ich verschob den Aufbruch in die weite Welt auf später. Auf nächstes Jahr. Nah genug, aber noch weit entfernt.
    »O. k.«, sagte ich. »Morgen fahre ich zu meinem Bruder nach Ingolstadt. Plätzchen essen, Geschenke auswickeln und das alles. Übermorgen komme ich heim. Wenn Sie dann noch Lust haben, den Pinsel zu schwingen …«
    »Kein Problem«, antwortete Nero. »Ich habe Zeit.«

     

     
    E N D E

     
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