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Schweigfeinstill

Schweigfeinstill

Titel: Schweigfeinstill
Autoren: Friederike Schmöe
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Stunden zugebracht. Mein Mund war so trocken, dass mir die Zunge am Gaumen klebte.
    »Habe ich ihn erschossen?«, krächzte ich.
    »Nein. Leider nicht«, antwortete Juliane.
    Meine Güte.
    »Und Jenny?«
    »Ihr geht es gut. Sie hat sich in einem Garten ein paar 100 Meter die Straße runter versteckt. Andy haben sie ins Krankenhaus gebracht. Verdacht auf Milzriss.«
    »Scheiße.« Endlich öffnete ich die Augen. »Ich brauche was zu trinken.«
    Juliane holte mir ein Glas Leitungswasser.
    »Du hast Fieber«, stellte sie fest, während ich gierig trank.
    »Deswegen verschonen sie mich erst mal, oder?«
    »Mag sein. Viel dramatischer ist, dass der Typ, den sie Mister nennen, beinahe dich erschossen hätte. Dass das nicht passiert ist, hast du Carlo zu verdanken!«
    »Carlo?« Ich setzte mich auf.
    »Irgendwie ist unser Kumpel in all das verwickelt. Hat vor Jahren was ausgefressen, und seine Exchefin hat ihm freundlicherweise neue Möglichkeiten eröffnet. Er musste versprechen, bei Bedarf diverse Dienstleistungen zu vollbringen. Zum Beispiel den Haustürschlüssel einer gewissen Kea Laverde rausrücken.« Juliane massierte sich die Handgelenke. Überdeutlich sah ich die Abschürfungen von den Kabelbindern. »Damit er auch glaubte, dass sie es ernst meinte, zeigte sie ihn wegen Vergewaltigung an.«
    »Sie war seine Freundin.«
    »Eben nicht. Sie stellte es nur so dar.«
    Mir schwirrte der Kopf. Also hatte ich mit meiner Loyalität zu Carlo doch nicht ganz falsch gelegen.
    »Carlo hat heute Abend das Piranha sausen lassen, weil er Angst um dich bekommen hatte. Er wusste ja nicht, was Müllers Leute in deinem Haus wollten. Die ganze Zeit ist er hinter uns her und hat sich im richtigen Moment auf Mister gestürzt.«
    »Aber …«
    »Es ist ihm nichts passiert. Mister hast du einen hübschen Streifschuss verpasst«, beruhigte mich Juliane.
    »Das war Notwehr«, kam eine andere Stimme.
    Keller. Natürlich. Der hatte mir noch gefehlt.
    »Was ist mit Sissi und ihrer Mutter?«, flüsterte ich Juliane zu.
    »Jemand von der Polizei hat sie heimgefahren. Gina Steinfelder hat sich gestellt.«
    Ich räusperte mich. Mein Hals fühlte sich an, als hätte ich eine Wassermelone verschluckt. Gefasst sah ich Keller in die Augen.
    »Und Sie? Wo kommen Sie her?«, fragte ich ihn.
    »Wir hatten das Haus unter Beobachtung.«
    »Wie außerordentlich beruhigend.« Juliane lachte trocken.
    Keller kam näher und setzte sich auf einen Sessel mir gegenüber.
    »Sind Sie vollkommen wahnsinnig?«, begann er. »Das hätte schiefgehen können.«
    »Ich verlasse mich nur auf mich selbst.«
    »Sie hätten warten müssen …«
    Ich rastete aus. Das ›Klink‹ der Zahnräder in meinem Kopf schallte in meinen eigenen Ohren. Ich sprang auf und ging auf ihn los.
    »Was wissen Sie denn schon von mir!«, brüllte ich ihn an. »Sie sehen mich nur als verquere Tussi, die auf dem Land lebt und keine Ahnung vom Leben hat, was?«
    »Ich …«
    »Das macht mal unter euch aus«, bemerkte Juliane und verließ das Zimmer.
    Ich drehte richtig auf.
    »Ich kenne das Niemandsland. Vor zwei Jahren habe ich einen Bombenanschlag nur knapp überlebt!« Ich keuchte und aus weiter Ferne sah ich Kellers Torfaugen funkeln. Schweiß durchtränkte meine Pulloverschichten. »Mein Freund und ich waren im Hard Rock Café in Scharm al-Scheich. Am 23. Juli 2005 wurde mein Leben in Stücke gerissen. Eine irrsinnige Explosion war das. Ein Geschoss zerriss meinen Oberschenkel. Zerfetzte die Arterie. Ich wäre fast verblutet, und wenn ich nicht das Glück gehabt hätte, ziemlich nah am Eingang zu liegen und den Rettungsleuten als Erste in die Finger zu fallen … dann …« Meine Stimme überschlug sich. Ich hielt japsend inne. Aber nicht lange. »Ein anderes Geschoss zertrümmerte meine Hüfte. Sie haben mir ein neues Gelenk eingesetzt. Die Operationen waren schrecklich. Einmal habe ich die Ärzte reden hören, aber auf Arabisch, Gott sei Dank habe ich sie nicht verstanden. Ein paar Splitter haben an meiner Bauchdecke gekratzt, aber nur die Haut versengt.« Ich schüttelte meinen vom Fieber betäubten Kopf hin und her, um die Kontrolle zurückzubekommen. Ich stand dicht vor Keller. Er war aufgestanden, und meine Fäuste trommelten auf seine Brust. Als ich es bemerkte, riss ich mich abrupt los und trat ein paar Schritte zurück. »Fünf Tage nach dem Anschlag kam Mario, mein Freund, ins Krankenhaus, mit gepacktem Koffer. Er verabschiedete sich. Er ging wieder auf Tour.« Die Bitternis
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