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Schweigfeinstill

Schweigfeinstill

Titel: Schweigfeinstill
Autoren: Friederike Schmöe
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Schritte in die Richtung, in der Neros Volvo stand. Er würde den Wagen nicht erkennen. Der Mann kehrte um und ging um die Villa herum. Nero flüsterte eine Warnung an Freiflug ins Mikro.

     

80.
    Müllers Fahrer sah unruhig auf seine Uhr . Alle paar Sekunden. Er schien sich allein mit fünf Geiseln nicht wohl in seiner Haut zu fühlen. Wahrscheinlich besaß er nicht die Kaltschnäuzigkeit von Mister. Ich schniefte. Meine Nase lief immer noch. Irgendwann hob ich vorsichtig den Arm und wischte mir das Gesicht ab. Es war totenstill. Nur Andys Stöhnen durchbrach von Zeit zu Zeit das Vakuum, in dem wir festsaßen.
    Es musste einen Weg geben, mit einem einzelnen Wächter fertig zu werden. Ich zerbrach mir den schmerzenden Kopf. Juliane würde bestimmt eine Idee haben, aber sie lag an Andy gefesselt halb auf dem Rücken, halb auf der Seite, und hielt die Augen geschlossen. Sie atmete flach. Der Geruch von Andys Erbrochenem waberte durch den Flur. Was für ein Aufwand wegen ein paar Pornos, dachte ich, und wusste zugleich, dass der Gedanke absurd war. Es ging um Geld. Juliane hatte schon vor Tagen genau darüber gesprochen. Bei allem Schrecklichen ging es um Geld. Ich beobachtete den Mann, der seine Pistole nun in ein Holster verfrachtete und unruhig auf und ab zu gehen begann. Er schien vergessen zu haben, dass er mich nicht gefesselt hatte. Kam ganz nah an mir vorbei. Löschte das Licht im Korridor. Wir hockten im Dunkeln.

     

81.
    »Vorsicht«, kam Freiflugs Stimme aus dem Headset . »Unser Mann beendet seinen Spaziergang. Kommt in deine Richtung.«
    Nero verschmolz mit dem Schatten, den die Hecke auf die Schneefläche warf. Der Unbekannte kam um die Hausecke zurück direkt auf ihn zu.
    »Wir besorgen Verstärkung«, hörte er Freiflug sagen.
    Es war das Vernünftigste. Nero sah zu, wie der Mann an der Haustür innehielt, unschlüssig, ob er hineingehen sollte. Erneut meinte Nero, Schritte auf Schnee zu hören. In dem silbrigen Schimmer dieser Nacht drangen sie überdeutlich an sein Ohr, um gleich wieder zu verklingen. Auch der Unbekannte an der Haustür hatte sie gehört. Er hob seine Pistole.

     

82.
    Ich schloss die Augen . All meine Aufmerksamkeit lag nun in meinen Ohren. Hinter dem dumpf hämmernden Kopfschmerz hörte ich, wie Müllers Fahrer die Zwischentür öffnete, die vom Flur zum Eingang führte.
    »Gerd?«, fragte unser Wächter.
    Ich rappelte mich auf. Ganz leise.
    »Gerd? Was läuft?«
    Keine Antwort. Die Stille drückte gegen mein Brustbein. Ich stand. An die Wand gelehnt und zittrig, aber aufrecht. Die Silhouette von Müllers Fahrer zeichnete sich gegen die helle Schneenacht ab. Weiter draußen stand der andere. Mister.
    Ich hatte nicht vorgehabt, unseren Peiniger anzugreifen. So viel Vernunft hatte ich in meinem von der Grippe vernebelten Hirn schon noch aufzubieten. Ich beobachtete nur. Und sah einen schwarzen Schatten auf Mister zueilen. Ein Schuss fiel. Das Flurlicht flammte auf. Sissi und ihre Mutter begannen zu schreien.
    Wir hockten auf dem Präsentierteller. Hübsch beleuchtet wie morbide Ausstellungsstücke. Ich war als Einzige bewegungsfähig.
    Ich sprang vor. Versetzte Müllers Fahrer einen Tritt ins Kreuz, stürzte mich auf ihn und trat mit der Wucht meiner 80 Kilo auf seine Hände. Ich hörte die Knochen splittern. Trat noch einmal zu, bis ich draußen jemanden schreien hörte und mich der Länge nach über den Mann warf. Ich sah den Lichtblitz und hörte den Schuss. Ob ich in diesem Moment losschrie, weiß ich heute nicht mehr. Ich sah verkohlte, verbogene Stahlträger, hörte Ambulanzfahrzeuge, ahnte Schmerz durch meine rechte Seite kriechen. Sah die Zeiger einer riesigen Uhr vorrücken. Kea!, rief ich mir im Stillen zu. Das sind nur ein paar blutige Erinnerungen, die dir einen Streich spielen. Ich wusste, dass die Wirklichkeit kalt war, eine Winternacht und kein heißer, trockener Wüstensommer. Leute schrien durcheinander, aber nur eine einzige Stimme vermochte ich zu erkennen. Juliane.
    »Er schießt auf dich, Kea.«
    Ich fühlte das kalte Metall zwischen meinen Fingern, als der Mann unter mir sich regte. Vollkommen ruhig nahm ich seine Pistole und richtete sie auf Mister, der im grellen Licht einer Taschenlampe vor Andys Haustür stand und die Mündung der Pistole in den Korridor richtete, geblendet und für Bruchteile von Sekunden aus dem Konzept gebracht. Ich drückte ab.

83.
    Ich fand mich auf einem Sofa wieder . Andys Sofa. Ich erkannte das kalte Leder. Hier hatte ich
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