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Schweig still, mein totes Herz (German Edition)

Schweig still, mein totes Herz (German Edition)

Titel: Schweig still, mein totes Herz (German Edition)
Autoren: C. J. Lyons
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was ich mit all der Zeit anfange, während ich darauf warte, meine Aussage zu machen. Na jedenfalls dachte ich mir, vielleicht bleibt keine Gelegenheit, dich wiederzusehen, und, na ja«, er schaute auf seine Stiefel, als hätte ihn der weiche Sandboden aus dem Gleichgewicht gebracht, »wir hatten nie Gelegenheit, uns voneinander zu verabschieden.«
    Die Flut hatte den Sand aufgeweicht, sodass sie bei jedem Schritt tief einsanken. Caitlyn gab auf und setzte sich hin. Goose zögerte kurz, dann ließ er sich neben ihr nieder und streckte die Beine aus. Die heranlappenden Wellen stießen gegen seine Stiefelsohlen.
    »Wie soll ich dich eigentlich nennen?«, fragte sie. »Für mich bist du immer noch Goose, aber …«
    »Goose geht schon klar. Wenn es dir gefällt. Carver ist auch in Ordnung. Oder Jake.« Er zuckte mit den Achseln. Offenbar war es so lange her, dass ihn jemand mit seinem richtigen Namen angesprochen hatte, dass er selbst nicht mehr wusste, wie er sich nennen sollte.
    »Wieso eigentlich Goose?«
    »Als Anwärter bei den Reapern musst du dir eine Glatze rasieren. Und die dann tätowieren lassen.« Er fuhr sich am Hinterkopf mit den Fingern durchs Haar. »Schätze, mein Schädel sieht irgendwie merkwürdig aus, wenn er kahlgeschoren ist. Wie ein riesiges …«
    »Gänseei.« Sie lachte. Und das fühlte sich gut an und war gar nicht so schwierig, wie sie gedacht hätte. »Mein Vater wollte immer mit uns hierherfahren, als ich noch klein war«, erzählte Caitlyn und strich über den feuchten Sand, ertastete die feinen Körnchen, wog ihn in der Hand und ließ ihn dann durch die Finger rieseln, bis nichts mehr da war. »Aber dann ist er gestorben und ich war nie hier, bis jetzt.«
    »Echt?« Er lehnte sich auf die Ellbogen zurück, den Blick fest auf sie – oder auf den Mond hinter ihr – gerichtet. »Wir sind häufig hierhergefahren. Etwas weiter die Straße rauf, vielleicht sieben oder acht Kilometer. Dort ist es nicht so überlaufen.«
    Sie schaute nach rechts und links auf den dunklen Strand. Kein Licht war zu sehen, bis auf das, was noch in ihrer Ferienwohnung brannte. »Überlaufen?«
    »Wir waren immer in den Sommerferien hier.«
    »Klingt schön.«
    Er seufzte. »Das war es. Jetzt war ich seit, wow, bestimmt zehn, elf Jahren nicht mehr hier.«
    »Ich bin sechsundzwanzig Jahre nicht zu Hause in Evergreen gewesen. Schätze, ich hätte besser länger wegbleiben sollen.«
    »Ist es für dich immer noch dein Zuhause? Trotz allem?«
    »Ich weiß nicht. Bin nicht mehr sicher, wo mein Zuhause ist.« Die einzige Konstante in ihrem Leben, während sie von Einsatz zu Einsatz weiterzog, war der alte Waffenschrank, den ihr Vater gebaut hatte. Das einzige Möbelstück von ihm, das ihre Mutter nicht entsorgt hatte. Caitlyn fragte sich, wieso. Hatte Jessalyn etwa doch so etwas wie ein Gewissen und sich selbst all die Jahre über mit jedem Blick auf den alten, ramponierten Waffenschrank bestraft – so wie durch den Anblick ihrer Tochter, die dem Mann, den sie umgebracht hatte, wie aus dem Gesicht geschnitten war?
    »Wirst du zurück nach Quantico gehen?«
    Caitlyn hatte diese Frage eigentlich einige Tag überdenken wollen, doch mit einem Mal war ihr klar, wie sie sich zu entscheiden hatte. »Seltsam. Als ich Freitagabend nach Evergreen kam, habe ich mich mit meiner Mutter über meinen Beruf in die Haare bekommen. Sie wollte, dass ich aufhöre. Paul auch. Jeder schien mich da raushaben zu wollen.«
    »Und was willst du?«
    »Ich will meinem Beruf nachgehen. Ich bin gut darin – verdammt gut. Selbst wenn es mir schwerfällt, mich an die Regeln und Vorschriften des FBI zu halten. Also«, sie sog geräuschvoll den Atem ein, »Ja. Ich werde nach Quantico zurückgehen. Ich werde nicht aufhören. Und wenn sie mich feuern wollen, dann müssen sie sich einen verdammt guten Grund überlegen. Zum Teufel, dieses Mal habe ich nicht einmal jemanden erschossen.«
    Er nickte, als hätte er genau diese Antwort von ihr erwartet. Dann setzte er sich auf und beugte sich zu ihr, um sie anzusehen. »Wirklich schade. Denn soweit ich weiß, sind intime Beziehungen zwischen Agenten ein Verstoß gegen die Vorschriften.«
    Ein Lächeln tanzte auf seinen Lippen. Viel zu verlockend, um es zu ignorieren. Sie umfasste sein Gesicht, verteilte dabei Sand in seinem Bart und dem Haar und küsste ihn leidenschaftlich.
    »Du kennst mich. Ich liebe es, mich den Vorschriften zu widersetzen«, sagte sie, als sie Atem schöpften. Ehe er antworten konnte,
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