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Schweig still, mein totes Herz (German Edition)

Schweig still, mein totes Herz (German Edition)

Titel: Schweig still, mein totes Herz (German Edition)
Autoren: C. J. Lyons
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Erinnerungen war auch ihr Blutdruck in die Höhe geschossen.
    »Der Sinn dieser Übung ist, mit den Auszubildenden das korrekte Vorgehen bei einer Festnahme durchzuspielen, und nicht, sie mit einer Geiselnahme zu konfrontieren.« LaSovage stand so vor ihr, dass die Truppe in seinem Rücken nichts von dem kleinen Ehekrach unter Vorgesetzten mitbekam. Das hätte sonst dem Ansehen der Behörde geschadet. Wer sich schön brav an die FBI -Bibel hielt – ein dicker Aktenordner vollgepackt mit Regeln, Vorschriften und Standardvorgehensweisen –, konnte abends guten Gewissens nach Hause gehen. Das war es, was den Kindern in diesen Übungen vermittelt werden sollte.
    Denn Kinder waren sie noch allesamt, auch wenn einige von ihnen kaum jünger als Caitlyn waren. Von dem, was die reale Welt für sie bereithielt, hatten sie keinen blassen Schimmer: blitzschnell getroffene Entscheidungen, abgefeuerte Schüsse, die nie wieder rückgängig zu machen waren, und gute Menschen, die ihr Leben verloren, weil man falsch – oder gar nicht – gehandelt hatte.
    »Sie haben den Zugriff doch gesehen«, erwiderte Caitlyn und schaute verstohlen zu den sichtbar niedergeschlagenen Anwärtern hinüber. In diesem Moment kam sie sich wesentlich älter vor als fünfunddreißig. Neun Jahre tat sie nun schon den Dienst mit der Waffe und war in dieser Zeit schon zwei Mal nur äußerst knapp dem Tode entgangen, hatte einen Mann im Nahkampf getötet und mitansehen müssen, wie sich ein guter Mann ihr zuliebe geopfert hatte. Sie trug Narben an Körper und Seele. Wie es sich anfühlte, in der Haut dieser jungen FBI -Anwärter zu stecken, daran konnte sie sich nicht mehr erinnern. »Er ist ihr einfach nur hinterhergelaufen, ohne einen Gedanken an die Gefahr, die von mir ausging. Und er hat seine Deckung auf der Waffenseite offen gelassen. Wie hätte ich da widerstehen können? Kein echter Verdächtiger hätte das getan.«
    LaSovage blickte über die Schulter zurück zu den zwei erschossenen Trainees, die die Köpfe zusammensteckten, sich gegenseitig bedauerten und hoffentlich auch über ihre Fehler nachdachten. »Der Zugriff war nachlässig. Aber abgesehen von den Videosimulationen war das deren erste praktische Übung. Das erste Real-Life-Szenario. Es war nicht nötig, die Anwärter dermaßen zu überfordern.«
    »Ich wette, diese Fehler machen sie beim nächsten Mal nicht mehr.«
    Er verzog das Gesicht, konnte ihr aber nicht widersprechen. »Möglicherweise. Von jetzt an gehen wir aber doch lieber vorschriftsmäßig vor, einverstanden?«
    Caitlyn war noch nie besonders gut darin gewesen, sich »vorschriftsmäßig« zu verhalten. Früher war es ihr wenigstens noch gelungen, das nicht ganz so offen zu zeigen. Seit sie jedoch nach einer Notoperation am Gehirn aus ihrer längeren gesundheitsbedingten Zwangspause zurückgekehrt war, verstellte sie sich nicht länger. Deswegen hatte man sie wohl auch vorübergehend nach Quantico abgeordnet.
    »Alles in Ordnung bei Ihnen?«, fragte LaSovage, bemüht, ihr nicht auf das nach der Operation noch nicht wieder vollständig nachgewachsene Haar zu starren. »Ist bestimmt nicht leicht, nachdem …«
    »Mir geht’s gut.« Wie oft musste sie das noch betonen? Oder vorgeben, sie würde die Blicke nicht bemerken, wenn sie über die Flure der Lehranstalt lief?
    Noch vor sechs Monaten hätte ihr die Vorstellung gefallen, hier dauerhaft zu unterrichten – es machte ihr Spaß, den Studenten etwas beizubringen und das Beste aus ihnen herauszuholen. Aber hier als befristete Lehrkraft festzusitzen, nur damit ihre Chefs ein Auge auf sie haben konnten und dem FBI kein weiterer Imageschaden drohte? Da kam Caitlyn ihr Büro in der Jefferson Hall mit einem Mal eng wie eine Gefängniszelle vor.
    Ihr letzter Fall hatte ihr einen informellen Verweis wegen beruflichen Fehlverhaltens eingebracht, und eine offizielle, wenngleich nur widerwillig ausgesprochene Belobigung dafür, dass sie einen Korruptionsfall aufgedeckt hatte, in den die Führungsriege des FBI , der US Marshall Service und sogar das geheiligte FBI -Labor verwickelt gewesen waren.
    Den hohen Tieren wäre es lieber gewesen, wenn Caitlyn ohne großes Aufhebens eine Pension akzeptiert hätte und wegen ihrer gesundheitlichen Probleme aus dem Dienst ausgeschieden wäre. Sie würde sich jedoch keinesfalls so weit einschüchtern lassen, dass sie ihren Beruf aufgab. Und da Caitlyn von mehreren peinlichen Leichen im Keller des FBI wusste, konnten ihre Chefs sie auch nicht feuern,
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