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Schweig still, mein totes Herz (German Edition)

Schweig still, mein totes Herz (German Edition)

Titel: Schweig still, mein totes Herz (German Edition)
Autoren: C. J. Lyons
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bekannt vor. »Hier spricht Pfarrer Vince Whitford, ich bin einer der Seelsorger im Butner.«
    Sie trat aus dem Fahrstuhl und blieb vor Pauls Tür stehen. »Hallo. Weshalb rufen Sie an, Herr Pfarrer?«
    Er räusperte sich, wollte offenbar etwas sagen, das ihm unangenehm war. »Ich betreue einen Gefangenen hier im Butner, in der Abteilung mit mittlerer Sicherheitsstufe. Vor einigen Tagen hat er versucht, sich das Leben zu nehmen. Eli Hale.«
    Hale, sie hatte nie jemanden mit diesem Nachnamen festge… ach, verdammt. Sie kannte den Namen. Hatte ihn bloß seit sechsundzwanzig Jahren nicht mehr gehört. Vor ihrem geistigen Auge formte sich der Umriss eines Mannes, größer und breiter gebaut als ihr eigener Vater, so dunkel, wie Sean Tierney blass gewesen war. Sie hörte die tiefe Stimme, das heisere Lachen, mit dem er seiner Tochter und Caitlyn hinterherjagte, wenn sie zusammen Monster und Prinzessin spielten, was jedes Mal damit endete, dass Caitlyn und Vonnie kichernd unter Elis kräftigen Armen klemmten, und er sie umherwirbelte, bis ihnen ganz schwindelig vor Glück wurde.
    »Eli Hale?« Mit einem Schlag kehrten ihre Kindheitserinnerungen zurück.
    Vonnie, ihre allerbeste Freundin – bis sie auseinandergerissen wurden, weil Caitlyns Vater gezwungen war, seinen besten Freund, Eli Hale, zu verhaften. Wegen Mordes. »Geht es ihm gut?«
    »Inzwischen wieder einigermaßen. Die Ärzte werden ihn morgen aus der Krankenstation entlassen, aber ich habe ihn überzeugen können, einem Treffen mit Ihnen zuzustimmen. Ich glaube, Sie sind der einzige Mensch, der ihm helfen kann.«
    Die aufsteigende Wut und Verwirrung verdrängten die Erinnerungen. Bis auf die eine, die nie vergehen wollte: ihr Vater, wie er tot dalag, eigenhändig erschossen. Weil er es nicht ertragen hatte, seinen besten Freund des Mordes überführt zu sehen.
    Sie schluckte die bittere Galle hinunter. »Da liegen Sie falsch. Mir will absolut keinen Grund einfallen, weswegen ich mich mit Eli Hale unterhalten sollte. Oder umgekehrt.«
    »Bitte, Agent Tierney. Legen Sie nicht auf. Es geht um das Leben einer jungen Frau.«
    Caitlyns Finger umklammerten das Handy, sie näherten sich dem Knopf mit dem roten Hörersymbol, der das Gespräch beenden würde, doch noch drückte sie ihn nicht. Nur zu gerne hätte sie aufgelegt, wollte nicht länger diesen schmerzlichen Erinnerungen nachgehen. Aber … »Was für ein Mädchen?«
    »Elis Jüngste, Lena.«

2
    Lena. Caitlyn hatte sie seit sechsundzwanzig Jahren nicht mehr gesehen, damals hatte die Kleine gerade erst laufen gelernt. Vonnie hatte ihre kleine Schwester über alles geliebt und war überglücklich, sie zu bemuttern und mit ihr zu spielen. Zu Lenas erstem Weihnachtsfest hatten Caitlyn und Vonnie das Baby in Windeln gewickelt und unter den Beifallsstürmen der stolzen Eltern abwechselnd die heilige Jungfrau Maria und den Engel der Verkündigung gegeben. Belohnt wurde ihr Auftritt mit großen Stücken von Mrs Hales Nusskuchen.
    Als Einzelkind fand Caitlyn in Lena ein Geschwisterchen, ohne dafür an Aufmerksamkeit ihrer Eltern einbüßen zu müssen. Caitlyns Mutter hätte ohnehin keine Zeit für ein weiteres Kind gehabt. Jessalyn Tierney hatte zwei Jobs: drei Tage die Woche arbeitete sie in der Buchhaltungsabteilung der Baufirma ihres Bruders und drei weitere als Empfangsdame im Büro eines Immobilienmaklers in Bryson City, wo sie nebenher für ihre Maklerlizenz paukte. Sie wünschte sich für ihre Familie ein besseres Leben als das in dem zugigen alten Bauernhaus in den Bergen von North Carolina, mitten im Nirgendwo.
    Auch heute, Jahrzehnte später, strebte Jessalyn unentwegt nach etwas Besserem; und war gleichermaßen enttäuscht von dem Lebensweg, den Caitlyn, ihr einziges Kind, für sich gewählt hatte. Eine weitere Enttäuschung in einer langen Reihe von Enttäuschungen. Manchmal hatte Caitlyn das Gefühl, ihre Mutter zweifelte daran, dass all die Opfer, die sie für ihre Tochter gebracht hatte, es überhaupt wert gewesen waren.
    Nicht, dass sie jemals mit ihrer Mutter hätte darüber reden können.
    Caitlyns Vater hatte ebenfalls sechs Tage die Woche gearbeitet. Vier Zwölfstundenschichten für den Sheriff, aus denen gewöhnlich Vierzehn- oder Sechzehnstundenschichten wurden, und dann noch zwei Tage, an denen er Mr Hale auf dem Bau aushalf. Ab und an kamen Vonnie und Caitlyn mit zu den Baustellen, spielten die Handlanger und schlugen unter den achtsamen Blicken von Caitlyns Vater sogar den einen oder anderen
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